Homepage » Luftverkehr » People’s, der Multihopper vom Bodensee

Welcher Jet fliegt jeden Sommer wöchentlich ein Dutzend Airports rund ums Mittelmeer an? Die Rede ist von einer Embraer170LR, der einzigen Maschine von People´s aus Österreich. Deren Heimatflughafen St.Gallen-Altenrhein liegt sogar jenseits der Landesgrenze, im Nachbarland Schweiz. Die Gründung einer Fluglinie dort war eigentlich nicht vorgesehen.

4.09.2024

Die People's betreibt einen einzigen Jet, die Embraer 170 mit dem Kennzeichen OE-LMK. © Ralf Kurz

Der Vorarlberger Geschäftsmann Marcus Kopf war durch Kauf des Flughafens im Jahr 2010 lediglich an einem günstigen Immobilien-Investment interessiert. Kleine Regionalflugplätze sind fast nirgendwo ohne Zuschüsse rentabel zu betreiben, und für kommunale Eigentümer oft ein Millionengrab. Doch im Dreiländereck am Bodensee sind die Voraussetzungen für alle Arten von aviatischen Aktivitäten günstig. Das wusste schon das Deutsche Reich, als man wegen des Versailler Vertrags eine Produktionsstätte im Ausland suchte, und in Altenrhein 1927 fündig wurde.

Der Flugplatz St. Gallen-Altenrhein liegt direkt am Südufer des Bodensees. © Ralf Kurz

Aber richtiges Leben hauchte diesem Airport erst der österreichische Luftfahrtpionier Rolf Seewald ein. Als die Nachfrage auf den Verbindungen vom westlichen Ende der Alpenrepublik in die Hauptstadt Wien beständig wuchs, zog er mit seiner 1973 gegründeten Rheintalflug hierher um. Von Hohenems in Vorarlberg, wo man die 630 Meter lange Piste nicht verlängern wollte, zur mit einem ILS bestückten 1.455 Meter Runway in Altenrhein. Was anfänglich mit einer Cessna 414 begann, endete 2001, bei Übernahme durch Austrian Airlines, mit dem Einsatz zweistrahliger Embraer 145. Bis zu sechsmal täglich hoben die Regionaljets zwischen Wien und Altenrhein für den nicht mal einstündigen Flug ab, und beförderten in manchen Jahren 100.000 Passagiere. Kein Wunder, weil man auf gleicher Route mit Auto oder Bahn quer durch die Alpen einen halben Tag veranschlagen muss.

People’s in Altenrhein

Mit der Entstehung globaler Luftfahrtallianzen tauchten bald neue Akteure am Horizont auf. Sie waren ständig auf der Suche nach kostengünstigen Regionallinien, welche als Zubringer ihre Megahubs füttern sollten. Auch in der Region am Bodensee sorgten Kooperationen und Übernahmen für ständig wechselnde Unternehmen. Firmen wie Lufthansa Team, Tyrolean oder Austrian Arrows gaben sich dort innerhalb kurzer Zeiträume die Klinke in die Hand. Auch deshalb zog sich Rolf Seewald langsam aus der Leitung seiner Rheintalflug zurück. Mit der Gründung der Intersky, einer Airline mit Basis in Friedrichshafen, wagte er einen Neustart. Dort war man an innerdeutschen Verbindungen sehr interessiert, um dem boomenden Wirtschaftsstandort zu mehr Attraktivität zu verhelfen. Fatalerweise wurde die Neugründung von Rolf Seewald nun aber selbst Opfer der eigenen Erfolgsstory der vergangenen Jahre. Als Luftfahrtvisionär hatte er die lukrative Route von Altenrhein nach Wien aufgebaut und für Rheintalflug als Cash Cow etabliert. Mehrere Besitzerwechsel des Flugplatzes änderten daran wenig. Dann aber kam es am beschaulichen Airport zum unvermuteten Showdown.

Keine Einigung mit Austrian

Der millionenschwere Alleineigentümer Marcus Kopf wurde sich mit Austrian nicht über eine Fortsetzung der Linienverbindungen nach Wien einig. Kurzerhand wurde dem Ableger Austrian Arrows der Flugbetrieb gekündigt, um mit eigener Airline das Investment rentabler zu gestalten. Es war die Geburtsstunde von People´s Viennaline. Man besorgte sich eine fünf Jahre alte Embraer 170LR von Finnair zur Routeneröffnung nach Wien am 27. März 2011. Besagter Flugzeugtyp ist die erste und kleinste Version der E-Jet-Familie des brasilianischen Herstellers. Er bildete die Grundlage für die aktuell sehr erfolgreiche Serie von Embraer E-Jets. Von der Embraer 170 wurden zwischen 2004 bis 2017 insgesamt 191 Exemplare gebaut. Die Variante LR (Long Range) verfügt im Vergleich zu der Standardversion über eine leicht erhöhte Reichweite von fast 4.000 Kilometern. Üblich ist eine Einklassenbestuhlung für 76 Passagiere.

Die Embraer 170LR von People´s mit Baunummer 150 trägt das Kennzeichen OE-LMK und den Namen Laura, einer Tochter von Marcus Kopf. Aber Austrian Airlines gab sich nicht geschlagen, und pochte auf Einhaltung der Verkehrsrechte bis zum regulären Vertragsende. Jetzt tobte zwischen beiden Kontrahenten ein harter Konkurrenzkampf mit Dumpingpreisen und überzogenem Sitzplatzangebot, bis die Star Alliance letztendlich 2013 die Strecke aufgab. Im Strudel dieses Wettstreites konnte allerdings auch die Intersky ihre Maschinen zwischen Friedrichshafen und Wien nicht mehr füllen, und musste wenig später den Betrieb einstellen.

Aus People’s Viennaline wurde People’s

Beflügelt durch den nicht für möglich gehaltenen Erfolg gegen einen übermächtigen Gegner machte sich People´s Viennaline Gedanken über eine mögliche Expansion. Die durch das Verschwinden von Intersky erstandene Lücke in Friedrichshafen bot eine gute Gelegenheit, um in den Profit versprechenden innerdeutschen Verkehr einzusteigen. Um die Route nach Köln im Tagesrand zu bedienen, benötigte man einen weiteren Jet. Im Dezember 2016 stieß deshalb eine zweite Embraer 170LR zur Flotte der Airline. Diesmal mit der niedrigeren Baunummer 93, registriert als OE-LTK und dem Taufnamen Nora, einer anderen Tochter von Marcus Kopf. Um eine hohe Auslastung beider Jets neben dem Linienbetrieb zu gewährleisten stieg man jeden Sommer ins Touristikgeschäft ein, mit Charterflügen auch von benachbarten Flughäfen. Deshalb fiel ab Mai 2018 der Namenszusatz Viennaline weg. Problematisch erweist sich jedoch der offizielle Status des Flugplatzes St.Gallen-Altenrhein. Dieser firmiert juristisch lediglich als Privatairport mit stark beschränktem Anteil von Linienverkehr für Passagiere.

Zum Betrieb eines richtigen Verkehrsflughafens bräuchte man eine Konzession, welche es bis heute nicht gibt. Eine solche wird von Österreich und der Schweiz angestrebt. Doch bis zu deren Erhalt reicht der vorläufige, rechtliche Sonderstatus aus. Konkrete Wachstumspläne sind somit nicht möglich, und würden vermutlich zuständige Behörden auf den Plan rufen.

Die Vision einer weiter expandierenden Fluggesellschaft hat sich dann doch nicht erfüllt. Daher landete die OE-LTK, nach dreijährigem Gastspiel am Bodensee, Anfang Januar 2020 auf dem Flugzeug-Parkplatz im Pinal Airpark im US-Bundesstaat Arizona. Wenige Wochen vor Ausbruch der Corona-Pandemie hatte die Embraer 170  auf dem riesigen Wüstenparkplatz für überzählige Flieger freie Platzwahl.

Aber für Marcus Kopf stellt es wahrscheinlich kein großes Problem dar, wenn ein Bereich seiner Holding People´s Air Group nicht so gut läuft. Neben der Airline gibt es ja noch den Flugplatzbetreiber mit externen Wartungsfirmen, sowie die wichtige Immobilienverwaltung. Damit lässt sich eine weltweite Pandemie ohne staatliche Hilfen noch ganz gut überstehen. Doch wegen des zunehmenden Homeoffice-Anteils in der Arbeitswelt und der lauten Kritik an den Kurzstreckenflügen schrumpft der Anteil geschäftlicher Flugreisen. Dagegen boomt plötzlich die Ferienfliegerei, und die heute verfügbaren Kapazitäten reichen nicht aus, um die starke Nachfrage zu befriedigen. Jetzt zahlt sich aus, über einen Jet mit akzeptabler Reichweite zu verfügen, anstelle einer Flotte von langsamen Turboprops.

Daher nutzte People´s mit dem Ende von Corona einen passenden Zeitpunkt, sich strategisch neu aufzustellen. Konkret bedeutet es, keine kostspieligen Flugverbindungen außerhalb des Heimatstandortes Altenrhein mehr anzubieten. Stattdessen höchstmögliche Nutzung der einzigen Maschine von der Betriebsbasis. Auch wenn vor Ort eine weitere Expansion mit einem zweiten Jet aus beschriebenen Gründen weder erwünscht noch wirtschaftlich sinnvoll wäre. Dem Management um Thomas Krutzler, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe, spielen dabei die angesprochenen Veränderungen im aktuellen Reiseverhalten optimal in die Hände. Momentan reichen zwei Tagesrandverbindungen zwischen Altenrhein und Wien für die derzeit bestehende Nachfrage völlig aus. Zwischendrin sorgen viele Charterketten im boomenden Touristikbereich für die erwünschte Auslastung. Jetzt bewährt sich langjährige Zusammenarbeit mit den beiden lokal ansässigen Veranstaltern Rhomberg Reisen, sowie High Life Reisen.

Die OE-LMK wird im Sommer auch für Ferienflüge zu Warmwasserzielen eingesetzt. © Ralf Kurz

Sie kümmern sich darum, dass während der Sommermonate die Embraer 170LR stets gut gefüllt unterwegs ist. In der Saison 2024 stehen immerhin 14 verschiedene Sonnenziele rund ums Mittelmeer auf dem Programm. Für People´s mit ihrem einzigen Jet ist dies ein beachtliches Pensum. Am meisten freuen sich jedoch die Kunden, entspannt und ohne Stress in den Urlaub fliegen zu können. Keine langen Warteschlangen frühmorgens an hektischen und überfüllten Megaairports, oder endloses Warten spätabends bei der Gepäckausgabe.

An einem Montag läuft am Flugplatz St.Gallen-Altenrhein zunächst alles exakt nach Plan. Nachmittags trifft die Embraer 170 pünktlich kommend aus Ibiza und Mallorca ein. Erholte Urlauber verlassen den Jet und machen sich auf ihren Heimweg in die nahe Umgebung. Eine Stunde später rollt das Flugzeug wieder in Richtung Runway zum Abendkurs nach Wien. Doch plötzlich dreht die E170 um und parkt erneut vor dem Terminal. Was ist passiert? Flugkapitän David Mätzler gibt per Durchsage Entwarnung. Sein Copilot fiel unverrichtet wegen gesundheitlicher Probleme aus, doch Ersatz wäre unterwegs. Keine 20 Minuten später sprintet First Officer Manuel Stadelmann die Gangway hoch ins Cockpit. Mit einer perfekt sitzenden Uniform nimmt er rechts neben dem Kollegen Platz. Eigentlich zuständig für die Bodenabfertigung erreichte ihn der eilige Hilferuf. Auch wenn dieser spontane Rollentausch in Rekordtempo stattfand, gilt es nun keine Zeit zu verlieren. Nach 21.00 Uhr dürfen nämlich in Altenrhein Flugzeuge nicht mehr landen. Durchaus verständlich, zählen die beiden General Electric Triebwerke vom Typ CF34-8E5 der 18 Jahre alten Embraer 170 zu den lauteren Vertretern ihrer Kategorie. Mit einer Ausnahmegenehmigung wäre noch eine Fristverlängerung bis 22.00 Uhr möglich. Doch danach blieben als einzige Alternative die Ausweichflughäfen in Memmingen oder Friedrichshafen. Ein solcher Fall kommt selten vor, stellt die Besatzung aber vor keine Probleme. „Wir wohnen alle in der Gegend, und sind selbst dann bald zuhause“, versichert mir die Chefstewardess. Hohe Summen für Übernachtungskosten der Crews sind hier eher nicht zu erwarten. Heute jedoch hat das vorgesehene Flugprogramm reibungslos funktioniert, trotz der erwähnten Verzögerung.

Das Fliegermuseum in Altenrhein ist sehenswert

Auch für etliche Leute, die nicht als Passagiere zum Flugplatz St.Gallen-Altenrhein kommen, lohnt sich ein Besuch in jeden Fall. Das dort beheimatete Fliegermuseum FMA verfügt über eine erstaunliche Sammlung ehemaliger Maschinen der Schweizer Luftwaffe. Manchmal bekommt man seltene Exponate, wie etwa eine Lockheed Electra 12A, auch außerhalb der Ausstellungshalle zu Gesicht, falls Probeflüge durchgeführt werden. Ansonsten treten die flugfähigen Veteranen, darunter auch zwei Kunstflugstaffeln, regelmäßig an bekannten Airshows in ganz Europa auf.

Übrigens besteht hinsichtlich der als OE-LMK registrierten Embraer 170LR für Laien seit Januar 2020 Verwechslungsgefahr mit ihrer verkauften Schwestermaschine. Sie trägt den Namen Laura nur noch auf der linken Seite unterhalb des Cockpits. Rechts heißt der Jet jetzt Nora, so wie früher das ausgemusterte Exemplar. Selbst für Spezialisten unter den Planespottern ist solche Doppelbezeichnung ein eher seltenes Phänomen, welches auf Fotos für Verwirrung sorgen könnte. Unterdessen hat die ehemalige OE-LTK, nach ihrem amerikanischen Wüstenaufenthalt, bei der britischen Eastern Airways als G-CMLI ein neues Betätigungsfeld gefunden.

Ralf Kurz

 

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Über Ralf Kurz

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Mein Name ist Ralf Kurz und ich wurde 1958 in München geboren. Seit der Kindheit fasziniert mich die Fliegerei. Meinen Traumjob, Pilot zu werden, konnte ich nicht realisieren. Nebenberuflich arbeite ich als freier Luftfahrtjournalist. In den letzten drei Jahrzehnten wurden über 90 Artikel und Reisereportagen in deutsch- und englischsprachigen Fachmagazinen von mir publiziert. Schwerpunkt sind dabei kleinere Airlines in exotischen Ländern, welche bei uns unbekannt sind. Zudem bin ich Mitglied der deutschen Sektion von MAF, einem christlichen Flugdienst, der rund 120 Kleinflugzeuge in 27 Staaten betreibt. Zwecks Erstellung von Fotoreportagen über unsere MAF-Projekte führten mich Reisen nach Amazonien, Angola, Bangladesch, Lesotho, Madagaskar, Mosambik, Mongolei, Neuguinea, Osttimor, Suriname und Uganda. Alles geschah auf eigene Kosten in meiner Freizeit, verwendet wird ausschließlich selbst erstelltes Fotomaterial.

Ein Kommentar

  • Scherrer

    Mit dem Bau des Flugplatzes in Altenrhein wurde 1926, vor bald 100 Jahreen begonnen. Im FFA Museum in Altenrhein wird in der gläsernen Werft das Do X Flugschiff originalgetreu nachgebaut und soll bis zum 100jährigen Jubiläum Erstflug am 12. Juli 2029 fertig sein.

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