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Über den Wolken – in einem Weidenkorb

Aerobuzz-Autor Meiko Haselhorst wechselt mal kurz das Fluggerät: In einem Heißluftballon startet er zu einer kleinen  – aber sehr hohen – Rundfahrt über seiner Heimatstadt.

2.07.2024

An das erhebende Gefühl einer Ballonfahrt muss man sich erst gewöhnen. Der Ausblick ist einfach grandios. © Meiko Haselhorst

Wenn’s schon kaum nach rechts und links geht, dann wollen wir uns wenigstens nach oben bewegen. Das wird sich der Pilot gedacht haben, kurz bevor er dem Ballon Feuer unterm Hintern macht. Minuten später blicke ich aus meinem Korb heraus in gleißendes Sonnenlicht. Es wird frisch. Der Höhenmesser zeigt 2.300 Meter an.

Eine Viertelstunde vorher: Der Pilot bereitet den Aufstieg vor. Jeder muss mit anpacken. In diesem Fall sind das außer dem Piloten auch noch vier Frauen aus dem Kreis Lippe – die glücklichen Gewinnerinnen eines Gutscheins, den die heimische Brauerei „Herforder Pils“ auf einer vorweihnachtlichen Betriebsbesichtigung verlost hatte. Ehemänner, Lebensgefährten und Schwiegerväter lassen sich nicht lumpen und packen beim Aufbau des Ballons ebenfalls mit an. Das Füllen der auf dem Rasen ausgerollten Hülle geht schneller als gedacht. Erst wird sie mittels einer Art Turbo-Ventilator mit kalter Luft gefüllt, dann sorgt der Brenner für die richtige Temperatur. Nach einer guten Viertelstunde steht das, was vorhin noch ein schlaffer Sack war, prall in der Luft. Dann fordert der Pilot seine Gäste auf, in den Korb zu klettern. Für sechs Personen eine enge Kiste.

Aus dem Ballon erkennt man viele Details am Boden, besonders wenn sich der Ballon nur langsam bewegt. © Meiko Haselhorst

Kaum haben alle ihren Stehplatz eingenommen, geht die Reise los. Im Nu haben wir 300 oder 400 Meter Höhe erreicht. Unser Blick fällt auf die Brauerei, auf das Unternehmen Sulo und auf den Fluss Werre. Kühe stehen auf einer Wiese, eine Fahrradfahrerin hält an, schaut zu uns empor und winkt. „Das hier ist eigentlich die schönste Höhe, wenn man etwas sehen will“, sagt unser Pilot. Da es nahezu windstill ist, stehen wir aber fast auf der Stelle. „Dann zeig ich Euch jetzt halt die Welt von ganz oben“, sagt der Pilot nach einer Weile des Wartens und schmeißt den Brenner an. Ein komisches Gefühl, etwas später in 2.300 Metern Höhe in einem Weidenkorb zu stehen und auf die Wolken herabzuschauen. „Das ist der Inversionsring“, sagt der Fachmann und zeigt auf einen dichten Dunstschleier unter uns, der Erde und Himmel durch eine gestochen scharfe Kante voneinander zu trennen scheint. Der Himmel ist blau, der Rest strahlend weiß. Ein bisschen fühle ich mich wie ein Polarforscher.

In der Höhe wird es schnell kalt

Uns wird kalt. „Ja ja, ist ja schon gut“, sagt der Mann am Hebel und macht sich ein bisschen über uns lustig. „Wir sind ja schon wieder am Sacken.“ Der Wind ist umlaufend, mal kommt er von hier, mal von da, mal pustet er uns er ein Stück weit in Richtung Löhne, dann wieder dümpeln wir über der Herforder Innenstadt. Etwa auf Höhe der Marienkirche geht gar nichts mehr. Zum Gucken ist der Stillstand allerdings ideal. Wir laufen durch den Korb, jeder will mal in eine andere Richtung schauen. Die anfängliche Angst, die Kiste könnte dabei ins Wanken und Wackeln geraten, ist wie verflogen.

Die Inversionswetterlage trennt die unterschiedlichen Luftschichten klar voneinander ab. © Meiko Haselhorst

Eine gute Stunde ist ebenfalls ruckzuck verflogen, und der Pilot sucht nach einem Platz zum Landen – mitten über der Stadt kein einfaches Unterfangen. „Wenn alle Stricke reißen (in einem Ballon eine schreckliche Vorstellung, Anm. des Autoren), gehen wir auf einem Parkplatz runter“, sagt der Mann mit langjähriger Erfahrung und zeigt auf einen kleinen grauen Fleck genau unter uns. Doch knapp überm Boden kommt ein ganz leichter Wind auf und treibt uns vom angedachten Landeplatz weg. „Da kann man nichts machen“, sagt der Pilot und gibt wieder Feuer. Jetzt treibt es uns gen Herringhausen. Wir fahren so knapp über die Häuser, dass einige Bewohner in ihre Gärten laufen. Die einen schauen besorgt, andere winken uns fröhlich zu.

Kurz hinterm Freibad entdeckt unser „Käpt’n“ in der Kinsbeke ein kleines Stück Wiese. „Da landen wir jetzt“, verkündet er mit einer Entschlossenheit, die uns fast schon ein bisschen Angst macht. Zwei Rehe, ein Fasan und ein Hase nehmen Reißaus. Wir streifen den Boden, machen noch zwei, drei Hopser, dann bleiben wir liegen. Wir klettern auf die Wiese. Ein herrliches Herforder Erlebnis ist beendet. Den schlimmsten Moment erlebe ich bei der Taufe: Der Pilot nimmt ein Feuerzeug, verkokelt mir eine Haarsträhne, kippt mir ein Bier über den Kopf und schmeißt danach noch eine Handvoll Erde und Gras drauf. Aber immerhin: Ab sofort trage ich den Adelstitel „Freiherr Meiko, der über die Werre zieht“. Das ist doch auch was.

Meiko Haselhorst

 

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Über Meiko Haselhorst

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Meiko Haselhorst wollte als Kind immer Pilot werden. Doch es kam anders: Er wurde Tischler, später Redakteur einer Tageszeitung – und arbeitet heute als freiberuflicher Journalist. Seine immer noch vorhandene Leidenschaft für Flugzege und fürs Fliegen lebt der zweifache Vater zuweilen auf Reisen und an der Tastatur aus.

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