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Winterzauber am Nordkap von Japan

Auf welchem Flughafen steht der größte Schneemann der Welt? Kein anderer Airport kann ein schöneres Kunstwerk aus blütenweißer Pracht präsentieren. Um dorthin zu gelangen, reist man am besten nach Sapporo, zur wichtigen Metropole auf der Nordinsel Hokkaido. Vorzugsweise während des einwöchigen Winterfestes in jedem Februar.

15.02.2025

Flüge zum Wakkanai Airport in Japan werden im Winter nicht selten wegen des rauen Wetters gecancelt oder umgeleitet. © Ralf Kurz

Das Sapporo Snow Festival gehört – neben dem chinesischen Harbin Ice Festival und dem kanadischen Quebec Winter Carnival – zu den weltweit größten Veranstaltungen dieser Art. Ein Wintermarkt mit Vergnügungspark und der Wettbewerb um die attraktivsten Eis- und Schneefiguren lockte im Jahr 2024 rund zwei Millionen Besucher in Japans nördlichste City. Der Abstecher nach Wakkanai stellt für Abenteuerlustige ein sehr lohnendes Ausflugsziel dar.

Winterzauber im Norden Japans

Mit der Bahn benötigt man von Tokio aus fünf Stunden, aber per Flugzeug ist sogar ein Tagestrip möglich. Zuständig dafür ist ANA Wings, die von All Nippon Airways (ANA) im Jahr 2010 gegründete Regionaltochter mit Heimatbasis am Flughafen Tokio Haneda. Landesweit wird eine Flotte von 39 Boeing 737-800 sowie 24 Bombardier DHC-8-400 auf schwächer frequentierten Inlandstrecken eingesetzt. Dazu gehört auch die Route von Sapporo nach Wakkanai (WKJ), welche zweimal täglich mit Dash 8 in Einklassenbestuhlung für 74 Passagiere betrieben wird.

Zwar beginnt das Boarding meines Fluges NH 4841 am Sapporo Chitose Airport normal. Doch ein Hinweis neben besagter Flugnummer entpuppt sich dann als wahre Hiobsbotschaft. Die simple Floskel „May Return“ verheißt in jedem Fall nichts Gutes. Nach dem Start kämpft sich die DHC-8-400 mit dem Kennzeichen JA848A durch ein bedrohlich wildes Schneegestöber. Das mittlerweile 20 Jahre alte Exemplar mit der Baunummer 4102 fliegt seit 2005 in Japan. Schließlich landet die von Turbulenzen gebeutelte Maschine sicher auf der 2.200 Meter langen Runway 08/26 des Flughafens von Wakkanai, den es seit 1960 gibt. All Nippon Airways fliegt ihn einmal täglich aus Tokio Haneda, entweder mit einer Boeing 737 oder einem Airbus A321 an. Der Flughafen ist deshalb der nördlichste, mit Jets erreichbare Airport in Japan. Doch im Winter müssen diese häufig wegen Schlechtwetter ins südliche Asahikawa ausweichen.

Das Flughafengebäude ist eingeschneit

Nach der Ankunft in Wakkanai drängt die Zeit, weil das gesamte Terminal in gewaltigen Schneemassen zu versinken scheint. Um bis nach Kap Sōya, dem nördlichsten Punkt von Japan zu gelangen, kommt nur das vor dem Flughafengebäude geparkte Taxi in Frage. Vorher mache ich aber noch schnell einen Schnappschuss des gigantischen Schneemannes neben dem völlig eingeschneiten Terminal. Das Namensschild des Airports in englischer sowie kyrillischer Sprache steht gleich davor. Von der Küste hier trennt eine nur 43 Kilometer breite Meerenge die japanische Insel Hokkaido von der im Sommer sichtbaren russischen Insel Sachalin.

Jetzt sind stolze 155 Euro für die kurze Ausflugstour zum 30 Kilometer entfernten Nordkap fällig. Immerhin kann der lediglich japanisch sprechende Taxifahrer meine Gesten richtig deuten. Nur mit Hemd bekleidet lichtet er mich bei bitteren minus 21 Grad Celsius vor der markanten Dreieckspyramide ab. Das Monument besteht aus konischen Pilaren, welche eine steinerne Spitze symbolisieren. Quasi als Belohnung aller Anstrengungen lässt sich genau in diesem Augenblick die Sonne für wenige Momente blicken. Eigentlich wäre die Region rund um Wakkanai, mit seinen kaum 31.000 Bewohnern, einen längeren Aufenthalt durchaus wert. Aber aufgrund der Wetterkapriolen scheint für heute schnellstmöglicher Rückflug ratsam.

Alle Flüge wegen des Wetters annulliert

Doch nach der Rückkehr zum Airport bewahrheiten sich meine schlimmsten Befürchtungen: Für heute und morgen sind alle Flüge annulliert. Draußen vor dem Terminal wartet schon ein Bus, um Gestrandete ins Hotel zu bringen. Größter Vorteil der gebuchten Herberge Dormy Inn ist ihre Lage direkt neben dem Bahnhof. Denn am nächsten Tag gleichen die wenigen Meter von der Rezeption zum Fahrkartenschalter einer kleinen Arktisexpedition. Jedenfalls verlässt der Zug mit dem bezeichneten Namen Super Sōya den Bahnhof Richtung Sapporo pünktlich – bei einer Sichtweite von fast Null.

Der Traum weltweiter Vogelliebhaber dreht sich oft darum, einmal das unverwechselbare Trompeten der berühmten Mandschurenkraniche hören zu dürfen. Diese vom Aussterben bedrohte Art steht unter strengem Schutz und kann nur an wenigen Plätzen in der Natur beobachtet werden. Der Kushiro-Shitsugen-Nationalpark gilt laut kompetenter Experten als bester Standort dafür. Dieser liegt nahe der 158.000 Einwohner zählenden Stadt Kushiro im Osten von Hokkaido. Dessen 1961 eröffneter Flughafen, 22 Kilometer westlich der City gelegen, verfügt über eine 2.500 Meter lange Runway mit der Ausrichtung 17/35. Neben Inlandverkehr ist er somit auch für Charterflüge aus dem Ausland bestens geeignet. Sie bringen naturbegeisterte Touristen aus Südkorea oder Taiwan mittels Direktverbindungen ins Kranichparadies. Zum Kummer der heimischen Ornithologen, welche die ständig zunehmenden Besucherscharen mit besorgter Skepsis betrachten. Denn durch die steigenden Flugbewegungen könnte die Zahl der seltenen Vögel in den Sümpfen nahe des Flughafens sinken. Jeder eindrucksvolle Tanz der Tanchos, wie die Mandschurenkraniche in Japan auch bezeichnet werden, ist absolutes Highlight an Naturbeobachtung, welches man sich bei einer Reise ins Land der aufgehenden Sonne nicht entgehen lassen sollte.

In Europa ist die Saab 340 aus dem Linienpassagierverkehr so gut wie verschwunden, auf dem Tancho Kushiro Airport in Japan ist sie noch zu finden. © Ralf Kurz

Wegen der unfreiwilligen Reiseverzögerung am Kap Sōya trifft mein Zug aus Sapporo erst spätabends in Kushiro ein. Es besteht daher bis zum Weiterflug am nächsten Morgen nach Tokio keine Möglichkeit mehr, den stimmgewaltigen Vögel in der freier Natur zu begegnen. Die verständliche Enttäuschung darüber verfliegt nach Eintreffen am Flughafen urplötzlich. Er macht nämlich seinem so titulierten Namen als Tancho Kushiro Airport alle Ehre. An fast jeder Ecke des Flughafengebäudes, drinnen wie draußen, prangen überall die unübersehbaren Kranichsymbole. Deshalb ist bei späterer Betrachtung der Fotos zuhause nicht zu erkennen, ob die Aufnahmen im Terminal, oder vom Beobachtungsplatz am Rande des Nationalparks gemacht wurden!

Ralf Kurz

 

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Über Ralf Kurz

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Mein Name ist Ralf Kurz und ich wurde 1958 in München geboren. Seit der Kindheit fasziniert mich die Fliegerei. Meinen Traumjob, Pilot zu werden, konnte ich nicht realisieren. Nebenberuflich arbeite ich als freier Luftfahrtjournalist. In den letzten drei Jahrzehnten wurden über 90 Artikel und Reisereportagen in deutsch- und englischsprachigen Fachmagazinen von mir publiziert. Schwerpunkt sind dabei kleinere Airlines in exotischen Ländern, welche bei uns unbekannt sind. Zudem bin ich Mitglied der deutschen Sektion von MAF, einem christlichen Flugdienst, der rund 120 Kleinflugzeuge in 27 Staaten betreibt. Zwecks Erstellung von Fotoreportagen über unsere MAF-Projekte führten mich Reisen nach Amazonien, Angola, Bangladesch, Lesotho, Madagaskar, Mosambik, Mongolei, Neuguinea, Osttimor, Suriname und Uganda. Alles geschah auf eigene Kosten in meiner Freizeit, verwendet wird ausschließlich selbst erstelltes Fotomaterial.

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