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Mit Modellflugzeugen gegen den Diktator

Ein Mann aus Ostwestfalen belieferte in den 1980er Jahren guatemaltekische Rebellen mit Modellflugzeugen, die dann zu Drohnen umfunktioniert wurden, zu einem Zeitpunkt als noch niemand daran dachte, welche militärische Bedeutung unbemannte Fluggeräte eines Tages erlangen würden.

2.09.2025

Johann Dremmel (Name geändert, Foto gestellt) beim Testen eines Modellflugzeugs auf einem ostwestfälischen Acker. © Meiko Haselhorst

Efraín Ríos Montt, Ex-Diktator von Guatemala, hat in nur anderthalb Jahren Regentschaft – die er durch einen Militärputsch erlangte – einen der schlimmsten lateinamerikanischen Völkermorde der Neuzeit befohlen. An die 15.000 indigene Guatemalteken wurden 1982/83 ermordet, 448 Bergdörfer dem Erdboden gleichgemacht. Erst 2012 wurden die Verbrechen vor Gericht in einem Genozid-Prozess aufgearbeitet. 30 Jahre später. Montt starb 2013 im Hausarrest.

Johann Dremmel (Name geändert) aus Höxter in Ostwestfalen hatte bereits 1982 versucht, dem Treiben des Tyrannen Einhalt zu gebieten – mit Modellflugzeugen. Kleine Flieger aus Balsaholz hat er gebastelt und sie dann an die Guerilla nach Guatemala verschickt. Die Rebellen bestückten die Modellflieger mit Sprengstoff und ließen sie als Drohnen in militärische Ziele stürzen und explodieren. „Ich redete mir ein, dass sie nur Ziele am Boden angriffen und dass keine Menschen dabei umkamen“, sagt der „ostwestfälische Che Guevara“. Bis vor einiger Zeit hat er nie öffentlich über seine Unterstützung der Rebellen geredet. „Aus Angst. Natürlich wusste ich, dass das verboten ist.“

Durch Zufall ins Kriegsgebiet geraten

Doch Dremmel hatte Gründe für sein Engagement: 1980, gerade 18 geworden, war er zufällig in besagten Krieg geraten. „Ich war eigentlich nur auf der Durchreise von Mexiko nach Ecuador, ein Abenteuerurlaub“, erzählt er. In Guatemala gefiel ihm die Landschaft, also blieb er für ein paar Tage. Dass dort schon seit Jahren ein Bürgerkrieg tobte, wusste er nicht. „Das wurde damals im Westen nicht so publik gemacht – wahrscheinlich, weil die USA unter Ronald Reagan den Diktator unterstützten“, sagt Dremmel.

Der junge Deutsche machte mit einer Rebellengruppe Bekanntschaft und schloss sich ihr an. „Ich dachte, das wären alles Pfadfinder“, erinnert sich Dremmel. Nach den ersten durchlebten Fliegerangriffen wusste er es besser.

Dremmel sprach damals nur gebrochen spanisch. Aber es reichte, um die Geschichten von Napalm-Bombardierungen und anderen Gräueltaten zu verstehen, die mittlerweile offiziell anerkannt sind. Dremmel wurde Augenzeuge einzelner Hinrichtungen. Mit zittrigen Händen hielt er einige Momente mit der Kamera fest. Doch die Guerilleros nahmen ihm sämtliche Filme mit verfänglichen Fotos ab. Zu groß war ihre Angst, verraten zu werden. Was blieb, waren harmlose Urlaubsfotos. Und Erinnerungen, die Dremmel zu Papier brachte.

In Deutschland wollte ihm niemand glauben

Zurück in Deutschland, tingelte er durchs Land und hielt zahllose kleine Vorträge. „Aber hierzulande wollte mir kaum einer glauben, was ich gesehen hatte“, erinnert er sich. Etwas mehr Gehör wurde da schon dem ehemaligen Sprecher des guatemaltekischen Innenministeriums geschenkt. Der war zu den Rebellen übergelaufen und befand sich jetzt ebenfalls auf Vortragsreise in Deutschland. Der Kontakt war schnell hergestellt. Dremmel, seit seiner Kindheit Modellflugzeugbauer, ging aufs Ganze und unterbreitete seinen Vorschlag. Die Reaktion war zunächst verhalten. „Der hatte Angst, dass ich ein Spitzel der CIA bin“, sagt Dremmel. „Meine chilenischen Professoren von der Uni Bielefeld -–Flüchtlinge nach dem Putsch gegen Allende – mussten dem Mann klarmachen, dass ich ein Anhänger der lateinamerikanischen Freiheitsbewegungen war.“ Sie überzeugten ihn.

José Rodríguez (Name geändert) war dabei: „Wir hatten überlegt, was man machen könnte, und hielten das mit den Flugzeugen damals für die richtige Idee“, sagt der Mann mit lateinamerikanischen Wurzeln, der heute im Rat einer ostwestfälischen Kleinstadt sitzt. Damals saß er zwischen Hannover und Duisburg auf dem Fahrersitz eines geliehenen Autos, während Dremmel dem guatemaltekischen Überläufer auf der Rückbank erläuterte, wie die Sache mit den Flugzeugen ablaufen sollte.

Der Höxteraner bekam eine Lieferadresse zugesteckt und machte sich ans Werk. Die nötigen Materialien besorgte er sich in einem Modellbauladen, seine Flugzeuge bastelte er im ehemaligen Schweinestall eines Landwirtes. Auf dessen großer Wiese testete er auch deren Flugeigenschaften.

Zehn seiner vermeintlich harmlosen Flieger schickte Dremmel damals nach Guatemala. „Die gingen per Luftfracht nach Nicaragua und von dort über Land nach Guatemala“, erzählt er. Dabei lag eine Betriebsanleitung auf Spanisch. Seine damalige Sprachlehrerin aus Bielefeld hatte ihm geholfen, die Papiere zu übersetzen. Die Dame steht nach eigener Aussage „bis heute hinter der Idee mit den Flugzeugen“.

Und wenn bei diesen frühen Drohnenangriffen nun doch guatemaltekische Soldaten ihr Leben ließen? Dremmel kann mit diesem Gedanken leben: „Ich halte das Ganze auch heute noch für politisch und menschlich gerechtfertigt. Möglicherweise wären ohne meine Flieger noch viel mehr Indios gestorben und noch mehr Dörfer ausgelöscht worden. Das verhindert zu haben, würde mich sehr stolz machen.“

Meiko Haselhorst

 

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Über Meiko Haselhorst

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Meiko Haselhorst (Jahrgang 1974) wollte als Kind immer Pilot werden. Doch es kam anders: Er wurde Tischler, später Redakteur einer Tageszeitung – und arbeitet heute als freiberuflicher Journalist. Seine immer noch vorhandene Leidenschaft für Flugzeuge und fürs Fliegen lebt der Vater von zwei Töchtern nun auf Reisen, in der Literatur und an der Tastatur aus. Der Pilotentraum ist aber noch nicht ganz ausgeträumt....

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