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Die ADAC Luftrettung hat ihren neuen Luftrettungscampus eingeweiht

Der neue Luftrettungscampus der ADAC Luftrettung am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen setzt weltweit Maßstäbe. Hier führt die Luftrettungsorganisation ihre Aus- und Weiterbildungskapazitäten in einem Komplex zusammen. Bei der Eröffnung konnten die geladenen Gäste einen Einblick in die Zukunft der Luftrettung – aber auch in die 55-jährige Historie – erhalten.

22.10.2025

Um die kritischen Schnittstellen in der Rettungskette zu optimieren, trainieren die Absolventen der HEMS Academy im ADAC-Luftrettungscampus szenarienbasierte Situationen wie hier beispielsweise die Übergabe eines Patienten an die Helikoptercrew. © V. K. Thomalla

Die ADAC Luftrettung hatte gleich zwei Anlässe, um zu feiern: Einerseits beging sie das Jubiläum „55 Jahre Christoph“, also Luftrettung in Deutschland, andererseits nahm der neue Luftrettungscampus am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen offiziell seinen Betrieb auf. Zur Einweihung zeigte die ADAC Luftrettung erstmalig neben den beiden aktuellen Einsatzmustern H135 und H145 auch die Zukunft ihrer Flotte in Form eines Prototyps des neuen H140-Hubschraubers, den der Hersteller Airbus Helicopters aus Donauwörth nach Oberpfaffenhofen geflogen hatte. Die geladenen Gäste hatten so die Möglichkeit, alle drei Helikoptermuster miteinander zu vergleichen. Airbus Helicopters hatte die H140 erst auf der Messe Verticon im März dieses Jahres der Öffentlichkeit präsentiert.

Eröffnung des Luftrettungscampus

Beim direkten Vergleich der drei Helikopter fällt einem sofort die große Kabine der H140 ins Auge. Die H140 ist zwar nur rund 195 Kilogramm schwerer als die H135, bietet aber ein Kabinenvolumen von 6,10 Kubikmetern im Vergleich zu den 5,04 Kubikmetern der H135. Das T-Leitwerk der H140 ist für die Luftretter ebenfalls von Vorteil, da es beim Beladen des Hubschraubers durch die beiden großen Hecktüren – sie sind jeweils 92 Zentimeter hoch – nicht stört. Man merkt dem Hubschrauber an, dass er von Beginn an als Helikopter für die Luftrettung ausgelegt ist. Die ADAC Luftrettung hat auch einen entsprechenden Input bei der Auslegung des Musters eingebracht. Sie hat zusammen mit der ÖAMTC Luftrettung auch eine Bestellung über zehn H140 unterschrieben. Derzeit betreibt die ADAC Luftrettung rund 60 Hubschrauber an 38 Luftrettungsstationen in Deutschland.

Die für 2020 geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten zu „50 Jahre Luftrettung“ waren wegen der Coronakrise ausgefallen. Deswegen feierte die ADAC Luftrettung nun „55 Jahre Christoph“. Was nach ersten Versuchen des ADAC und des Bayerischen Roten Kreuzes in den Jahren 1968 und 1969 begann, hat sich zu einer flächendeckenden Rettungsorganisation entwickelt, wie sie sich die Wegbereiter der Luftrettung in Deutschland sicher nicht haben vorstellen können. Die Gründung der Luftrettung in Deutschland entstand durch die extrem hohe Zahl an Verkehrsunfällen in jener Zeit. Damals starben jedes Jahr rund 20.000 Menschen in Deutschland an den Folgen von Verkehrsunfällen. Bessere Sicherheitstechnik – beispielsweise die Einführung der Gurtpflicht und Airbags – sowie eine schneller medizinische Hilfe durch die Luftrettung und ein modernes Rettungswesen haben die Zahlen deutlich gesenkt.

Die ADAC Luftrettung verfügt über 60 Helikopter

Bundesweit gibt es heute mehr 80 Luftrettungsstationen, darunter 38, die von der ADAC Luftrettung betrieben werden. Durchschnittlich starten allein die Rettungshubschrauber der ADAC Luftrettung zu über 130 Einsätzen pro Tag! Die ADAC Luftrettung beschäftigt 1.350 Menschen, darunter 180 Pilotinnen und Piloten, 645 Notärztinnen und Notärzte sowie 230 Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (TC HEMS) und mehr als 200 Menschen in der Instandhaltung.

Bisher haben sie einen Großteil ihrer Aus- und Weiterbildung in der HEMS-Academy am Flugplatz Bonn/Hangelar absolviert. Dieses Kapitel ihrer Geschichte wird die Luftrettungsorganisation aber zum Ende dieses Jahres beenden, da alle Aktivitäten der HEMS-Akademie nun im neuen Luftrettungscampus in Oberpfaffenhofen konzentriert sind. Derzeit ist in Hangelar noch ein Hubschraubersimulator in Betrieb, aber der wird auch in Kürze nach Oberpfaffenhofen umziehen, wo bereits zwei Helikoptersimulatoren im Einsatz sind.

Das Joint-Venture-Unternehmen HMotion von ADAC Luftrettung und Airbus Helicopters betreibt die Hubschrauber-Simulatoren am neuen Luftrettungscampus am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen. © V. K. Thomalla

Der neue Campus beherbergt neben der HEMS Academy, den ADAC Heliservice, die ADAC Telenotarzt gGmbH sowie das Joint-Venture-Trainingsunternehmen HMotion– an dem die ADAC Luftrettung und Airbus Helicopters beteiligt sind – und die Zentrale und Verwaltung der Organisation. Erste Kurse begannen im August in dem neuen Komplex, am 21. Oktober nahm er auch offiziell seinen Dienst auf.

Frédéric Bruder, der Vorsitzende der Geschäftsführung der ADAC Luftrettung, sagte bei der Eröffnung des neuen Campus: „Unser Campus wird ein Ort der interdisziplinären Begegnung, des Dialogs und des Austausches. Er steht sinnbildlich für unsere Überzeugung, dass Innovation und Fortschritt dort entstehen, wo Menschen sich austauschen, miteinander sprechen und voneinander lernen. Mit der Bündelung unserer wichtigsten Kompetenzen an einem Standort haben wir den Grundstein für die Zukunft der Luftrettung in Deutschland und die Weiterentwicklung des Rettungsdienstes von oben gelegt. Wir schaffen hier durch kurze Wege wichtige Synergien, um in allen Unternehmensebenen noch besser, schneller und flexibler auf die Veränderungen und Herausforderungen im Gesundheitswesen und der Akutversorgung reagieren zu können.“

Schulungen auch für externe Kunden

Der Campus setzt Maßstäbe für die Aus- und Fortbildung im Luftrettungswesen weltweit. Die ADAC Luftrettung wird deswegen dort nicht nur eigenes Personal schulen, sondern auch Kunden aus der ganzen Welt bedienen. Die Campusanlage umfasst eine Fläche von 16.000 Quadratmetern und beherbergt Ausbildungs- und Fortbildungseinrichtungen für fliegendes, medizinisches und technisches Personal.

Der neue ADAC-Luftrettungscampus liegt direkt am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen. © ADAC Luftrettung

Dr. Matthias Ruppert, der Geschäftsführer Medizin der ADAC HEMS Academy, erklärte, dass die Aus- und Fortbildung im neuen Campus weniger auf klassische Lehrer-Schüler-Methoden setze, sondern viel mehr auf szenarienbasierte Trainings. Deshalb sind beispielsweise Übungsräume vorhanden wie eine enge Wohnung, ein Krankenhausraum mit Dummies – darunter eine Übungspuppe, die einen sechs Jahre alten Patienten darstellt, und die dank 20 Stellmotoren Gesichtsausdrücke nachstellen kann und sogar Tränen fließen lässt – und eine Halle mit Hubschrauber und Krankenwagen, um die Schnittstellen bei der Übergabe eines Patienten vom Rettungswagen an den Hubschrauber, vom Hubschrauber an das Krankenhaus und andere Szenarien so realistisch wie möglich trainieren zu können.

Um die kritischen Schnittstellen in der Rettungskette zu optimieren, trainieren die Absolventen der HEMS Academy im ADAC-Luftrettungscampus szenarienbasierte Situationen wie hier beispielsweise die Übergabe eines Patienten an die Helikoptercrew. © V. K. Thomalla

Die Trainings werden aufgezeichnet, um bei den Debriefings Schwachstellen zu erkennen und zu besprechen. In die verschiedenen Übungsszenarien kann auch ein Telenotarzt eingebunden werden, um diese Form der Unterstützung ebenfalls zu trainieren.

Virtual Reality nimmt zunehmend mehr Raum in der Aus- und Fortbildung ein. So gibt es im neuen Campus bereits einen VR-Windenbediener-Trainingsraum, in dem Hoist Operator immersiv alle möglichen Situationen bei der Windenrettung gefahrlos trainieren können. Da es beim Windenbetrieb aber nicht nur auf den Windenoperator, sondern auch auf die Zusammenarbeit der Crew als Ganzes ankommt, soll das Winden-VR-Training künftig auch mit den Simulatoren der Cockpitcrews gekoppelt werden, um die Zusammenarbeit der Besatzungen zu trainieren.

Das VR-Windentraining soll künftig mit dem Flugsimulator verbunden werden, damit Hoist-Operator und Cockpitcrew zusammen Windeneinsätze üben können. © Volker K. Thomalla

Der Schweizer Hersteller Loft Dynamics wird in Kürze auch seinen zugelassenen VR-Flugsimulator im Luftrettungscampus aufstellen, um diese Form des Trainings den Luftrettungscrews zu ermöglichen.

Rund 250 geladene Gäste nahmen an den Feierlichkeiten im neuen Campus teil. Als Gastredner war der bayerische Ministerpräsident Markus Söder geladen, der sagte: „Die Engel des ADAC begleiten das ganze Leben – ob im Auto oder in der Luft. Wir sind stolz auf unsere gesamte Rettungsfamilie in Bayern. Sie sind echte Helden und immer vor Ort, um Leben zu retten. Dazu gehört viel Training und die Bereitschaft, rund um die Uhr in den Einsatz zu gehen. Das verdient höchsten Respekt und Wertschätzung. Der Freistaat steht an der Seite der Retter: mit bester Ausstattung, Vertrauen und einem Befreiungsschlag von Bürokratie. Wir halten denjenigen den Rücken frei, die für uns den Rücken hinhalten.“  Er forderte auch einen deutlichen Abbau der Bürokratie: „Wir sind Dokumentationsweltmeister. Ich glaube nicht, dass des uns etwas bringt. Es braucht jetzt einen Befreiungsschlag von der überbordenden Bürokratie. Die macht am Ende unser Land kaputt.“

Klare Forderungen an die Politik

Bei der Veranstaltung waren auch deutliche Forderungen an die Politik zu hören. Die Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes müsse jetzt schnell von der Bundesregierung beschlossen werden, sagte Bruder. „Wir brauchen mehr Luftrettung in Deutschland, längere Einsatzzeiten, flexiblere Arbeitszeitmodelle, eine länderübergreifende Einsatz- und Bedarfsplanung sowie flächendeckende Einsatzmöglichkeiten unserer Rettungshubschrauber in der Dunkelheit“, erklärte er. Zu dem brauche es verlässliche gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen für Personal, Qualität und Infrastruktur, eine enge digitale Vernetzung aller Akteure in der Rettungskette und telemedizinische Unterstützung.

Er unterstrich auch, dass die ADAC Luftrettung keine „Höher-Schneller-Weiter-Strategie“ verfolge und sagte: „Die Luftrettung von morgen muss sich am Bedarf orientieren.“

Volker K. Thomalla

 

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Über Volker K. Thomalla

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Volker K. Thomalla ist Chefredakteur von aerobuzz.de. Er wurde 2021 mit dem Aerospace Media Award (Kategorie Business Aviation) ausgezeichnet. Er berichtet seit 40 Jahren als Journalist über die Luft- und Raumfahrt. Von 1995 bis 2016 leitete er als Chefredakteur die Redaktion aerokurier, von 2000 bis 2016 zusätzlich die Redaktionen FLUG REVUE und Klassiker der Luftfahrt. Thomalla war zwischen 2016 und 2020 Chefredakteur des englischsprachigen Business-Aviation-Magazins BART International. Er hat mehrere Bücher über die Luftfahrt geschrieben und als Privatpilot auch praktische Flugerfahrung gesammelt.

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