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Sea Tiger zeigt Einsatzfähigkeit in Nordholz

Der zukünftige Fregattenhubschrauber NH90-MRFH Sea Tiger wird zur weiteren Qualifikation beim Marinefliegergeschwader 5 in Nordholz erwartet. Hier soll der Sea Tiger in einer Reihe verschiedenster Einsatzszenarien seine vollumfängliche Einsatzfähigkeit demonstrieren.

31.05.2024

Von Juni bis August 2024 erproben die Marine und Airbus gemeinsam den neuen Marine-Hubschrauber NH90-MRFH Sea Tiger in Nordholz. © Airbus Helicopters

Von Juni bis Mitte August dieses Jahres wird der NH90-MRFH Sea Tiger von der Basis Nordholz aus eingesetzt, um seine Einsatzfähigkeit vollständig zu demonstrieren. Der derzeit noch von Airbus Helicopters betriebene, neue mehrrollenfähige Fregattenhubschrauber wird im Rahmen der Einsatzdemonstration in mehreren operativen Flugprofilen unter anderem die Einsatzreife des neue Sonarsystems nachweisen sowie den simulierten Einsatz der Bordwaffen durchführen. „Diese Art von Test wurde noch nie zuvor an einem Hubschrauber durchgeführt und wird die Integration der verschiedenen Bordgeräte in ein umfassendes Einsatzszenario demonstrieren“, teilt Airbus Helicopters mit. Die nun gemeinsam mit den Marinefliegern anstehende Einsatzdemonstration gilt aus Sicht des Herstellers als letzter großer Qualifikationsschritt vor dem Auslieferungsstart im nächsten Jahr. 

Erste Testphase erfolgreich absolviert

Nur wenige Monate nach Erstflug des NH90-MRFH Sea Tiger Ende November vergangenen Jahres erfolgte erfolgte von Februar bis April dieses Jahres die erste Test- und Erprobungsphase des nun mit vollständigen Missionssystemen ausgestatteten ersten Serienhubschraubers in Südfrankreich. Ausgehend von Marignane wurde in einem achtwöchigen Test- und Erprobungszyklus die Missionsausstattung des Sea Tiger erfolgreich getestet. Neben der Qualifizierung des Automatic Identification Systems (AIS) stand auch die Erprobung des FLASH SONICS-Tauchsonars von Thales in Kombination mit aktiven und passiven akustischen Bojen im Testprogramm.

Am 30. November 2023 absolvierte der neue NH90-MRFH Sea Tiger unter winterlichen Wetterbedingungen in Donauwörth seinen Erstflug. © Carsten Vennemann

Der Einsatz von Unterwasserzielen ermöglichte es, den korrekten Betrieb der Detektionsgeräte unter glaubwürdigen Bedingungen zu testen. Des Weiteren erfolgten in den 50 absolvierten Flugstunden auch Flüge mit montierten Waffensystemen, die für den zukünftigen Einsatz des Sea Tiger vorgesehen sind. Dabei zeigte sich, dass sowohl der Leichtgewichtstorpedo MU90 als auch der Anti-Schiff-Lenkflugkörper MARTE ER fehlerfrei mit dem Missionssystem des Hubschraubers interagieren. Die montierte Hauptbewaffnung ermöglichte es zudem, die Manövrierbarkeit und Flugstabilität des Hubschraubers zu testen und die Anforderungen des zukünftigen Nutzers zur vollen Zufriedenheit nachzuweisen.

Industrie und Nutzer in enger Kooperation

In der derzeitigen Erprobungs- und Qualifizierungsphase arbeiten NHI/Airbus Helicopters und die Bundewehr sehr eng zusammen. So wurde die in Südfrankreich durchgeführte Testphase bereits mit gemischten Besatzungen durchgeführt. Cockpit und Kabine teilten sich jeweils Personal des Herstellers und des Nutzers. „In Übereinstimmung mit den Regeln für diese Art von Tests wurde der Hubschrauber in die Hände eines Piloten von Airbus Helicopters gegeben, mit einem Beobachterpiloten der Deutschen Marine auf dem rechten Cockpitsitz. Das Prinzip war in der Kabine dasselbe, wobei eine Konsole von einem Airbus Helicopters-Bediener und die andere von einem Kundenvertreter besetzt war“, teilt Airbus Helicopters dazu mit. Selbiges Prinzip fand auch am Boden Anwendung, wo deutsche Techniker mit ihren Kollegen aus Marignane zusammenarbeiteten. Dieses Zusammenwirken dürfte in der anstehenden Einsatzdemonstration in Nordholz ebenfalls Anwendung finden.

Ein Hubschrauber, viele Einsatzrollen

Als zukünftiger Bordhubschrauber für die Fregatten der Typen F124 (Sachsen-Klasse), F125 (Baden-Württemberg-Klasse) sowie der neuen im Bau befindlichen F126 wird der Sea Tiger ein breites Missionsspektrum abdecken. Spezialisiert für die Operationsarten Anti-Submarine Warfare und Anti-Surface Unit Warfare (U-Jagd und Bekämpfung von Überwasserzielen) ist der Sea Tiger aufgrund Bewaffnung und modernster Sensorik, den damit zu gewinnenden vielfältigen Sensor-Informationen, zur eigenständigen Seekriegführung fähig. Darüber hinaus wird er auch Seeraumüberwachung, klassische Transporteinsätze, Such- und Rettungseinsätze (SAR), Verwundetenevakuierung (MedEvac/CasEvac) und Boardingoperationen durchführen können. Ebenso denkbar sind Einsätze zur Unterstützung küstennaher Operationen oder maritimer Spezialkräfteoperationen. Zur Bewältigung der vielen Einsatzrollen wird der NH90 Sea Tiger mit einem fest installierten 360°-Rundumsichtradar zur Suche und Verfolgung von Schiffen, einem verbesserten elektro-optischen System (FLIR) sowie einem ESM-System (Electronic Support Measures) neuester Generation zur Erfassung elektromagnetischer Signale ausgerüstet. 

Der NH90 MFRH Sea Tiger mit dem Kennzeichen 98+55 ist das erste Exemplar des neuen Marinehubschraubers. © Carsten Vennemann

Beidseitig der Kabine sind je zwei Täuschkörperwurfanlagen (Chaff and Flare Dispenser System) Saphir-M von MBDA für den Selbstschutz zur Abwehr anfliegender Flugabwehrraketen installiert. Zur weiteren Ausstattung zählen eine Rettungswinde und ein Harpunensystem, das sichere Bordlandungen auch bei stärkerem Wellengang und damit verbundenen Schiffsbewegungen ermöglicht. Die Mehrzweckplattform lässt bei minimalen Personalansatz eine schnelle, für die jeweilige Mission notwendige Konfigurierung zu. Nur drei Techniker können das Kabinen-Layout des Sea Tigers parallel zur Einsatzvorbereitung innerhalb weniger Stunden anpassen. Das Besatzungskonzept für den SeaTiger ist flexibel gestaltet, dem jeweiligen Einsatzprofil angepasst. Die Crewstärke kann bis zu fünf Soldaten betragen und gliedert sich in Kommandant (gleichzeitig TacticalCoordinator), drei Sensor-Operateure und fliegenden Pilot. Anders als die NH90 TTH (Tactical Transport Helicopter) der Heeresflieger verfügen die NH90 der Marineflieger neben einem verstärkten Fahrwerk über einen klappbaren Heckausleger sowie automatisch klappbare Rotoren. Der Sea Tiger ist ebenso wie der bereits eingeführte Sea Lion mit einer elektronischen Fly-By-Wire-Flugsteuerung ausgerüstet. Diese reduziert die Arbeitsbelastung der Crew erheblich und erlaubt sicheren Flugbetrieb bei Tag und Nacht unter allen Wetterbedingungen. 

Modernstes Sonarsystem an Bord

Der NH90 Sea Tiger wird mit dem FLASH-Tauchsonar (Folding Light Acoustic System for Helicopters) und SonoFlash-Bojen von Thales ausgerüstet. Zu den Hauptvorteilen des Niederfrequenz-Breitband-Sonars zählen unter anderem die Ferndetektion und niedrige Fehlalarmraten im offenen Meer sowie in küstennahen Gewässern. In Verbindung mit einem aktiven und einem passiven Sonobojen-Verarbeitungssystem bietet FLASH nach Angaben des Herstellers eine einzigartige Fähigkeit zur U-Bootjagd.

Der NH90 Sea Tiger wird mit dem FLASH-Tauchsonar und SonoFlash-Bojen von Thales ausgerüstet. © Airbus Helicopters

Die kurze Tauchzyklus-Zeit in Kombination mit der neuesten Möglichkeit der Thales BlueTracker (SONICS)-Bojenverarbeitung ermöglicht eine unübertroffene Flächenabdeckung. Die SonoFlash-Boje ist eine Kombination aus leistungsstarkem, optimierten Niederfrequenzsender mit einem passiven Empfänger mit hoher Richtwirkung. Die Ankopplung an den FLASH-Tauchsonar erweitert den Erfassungsbereich der SonoFlash-Boje und ermöglicht eine schnellere Reaktion auf Ausweichmanöver eines U-Boots. Dank des digitalisierten Signals und der optimalen Kommunikationsreichweite können Daten der SonoFlash-Boje von jedem bemannten oder ferngesteuerten Flugzeug, Marineschiff oder Landstützpunkt mit Sonobojen-Verarbeitungssystem problemlos ausgewertet werden. Die Deutsche Marine erhält damit die leistungsfähigste Version von FLASH SONICS einschließlich der SonoFlash-Verarbeitung, die laut Thales derzeit lieferbar ist.

Weitreichende Bewaffnung  

Der bei der Bundeswehr bereits in Nutzung befindliche Leichtgewichtstorpedo MU90 wird auch beim Sea Tiger für die Abwehr gegnerischer U-Boote zum Einsatz kommen. Er kann maximal zwei Torpedos an den Außenträgern aufnehmen. Der 304 Kilogramm schwere Torpedo erreicht unter Wasser eine Höchstgeschwindigkeit von 50 Knoten (mehr als 90 km/h). Seine Reichweite liegt je nach Geschwindigkeit zwischen 10 Kilometer (bei Höchstgeschwindigkeit) und rund 25 Kilometer.

Zur U-Boot-Bekämpfung kann der Sea Tiger mit zwei MU90-Torpedos ausgerüstet werden. © Airbus Helicopters

Für die Bekämpfung von Schiffen und anderen Überwasserzielen wird der Hubschrauber mit dem leichten, langstreckenfähigen Anti-Schiff-Lenkflugkörper MARTE ER von MBDA ausgerüstet. Der allwettertaugliche, im hohen Unterschallbereich fliegende Lenkflugkörper verfügt über ein seegleitendes Flugprofil (Skimmer). Zwei dieser von einem Turbojet-Triebwerk angetriebenen Flugkörper kann der NH90 Sea Tiger an seinen Außenträgern mitführen. Die 3,60 Meter lange, 315 Kilogramm schwere MARTE ER hat eine Reichweite von über 100 Kilometern und lässt sich gleicherweise zur Bekämpfung von See- wie auch Landzielen einsetzen. Mit Einführung der MARTE ER wird nun die mit Ausphasung des Lenkflugkörpers Sea Skua in 2014 entstandene Fähigkeitslücke zur Bekämpfung von Überwasserzielen nicht nur geschlossen, sondern durch gleichzeitig gewonnene Landzielfähigkeit auch erheblich gesteigert. Die Integration des NSM (Naval Strike Missile) als weiteren weitreichenden Effektor ist derzeit nicht geplant.

Sea Tiger ersetzt Sea Lyynx

Der neue NH90-MRFH Sea Tiger wird die zurzeit noch in Nutzung befindlichen Westland Sea Lynx Mk88A als Bordhubschrauber ablösen, deren Nutzungsende für Ende 2026 vorgesehen ist. Insgesamt 31 Hubschrauber dieses Typs hat die Bundeswehr im Dezember 2020 über die NAHEMA (NATO Helicopter Development and Design, Logistic Management Agency) bei NHI bestellt. 30 Exemplare dieses mittelschweren Hubschraubers der 10-Tonnen-Klasse werden die betagten Westland Sea Lynx als Bordhubschrauber ersetzen, eine Sea Tiger wird an die Wehrtechnische Dienststelle für laufende Erprobungen gehen. Die Auslieferung der ersten Serienhubschrauber soll ab November 2025 beginnen und bei einer Auslieferungsrate von sechs bis sieben Hubschraubern jährlich in 2030 abgeschlossen sein.

Carsten Vennemann

 

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