Die erfolgreiche Strategie, die das Unternehmen angewandt hat, um in den japanischen Markt einzudringen, beginnt, auch in China Früchte zu tragen. Im Kielwasser der Airbus Group, die mit Airbus Helicopters und Airbus Commerical jeweils ein eigenes Repräsentationsbüro in Beijing eröffnet haben, hat auch ATR vor zwei Jahren ein solches Verbindungsbüro vor Ort gegründet. Dieser Brückenkopf im Reich der aufgehenden Sonne hat es dem Hersteller erlaubt, neue Verbindungen mit den lokalen Autoritäten zu knüpfen und den Weg freizumachen für die ersten beiden Aufträge, die während der Paris Air Show unterzeichnet wurden.
Aber bei ATR schreit man nicht lauthals „Sieg!“, denn im Vertrag ist eine Klausel enthalten, die den Verkauf nur wirksam werden lässt, wenn das Muster auch die chinesische Zulassung erhält. Und das ist alles andere als in trockenen Tüchern. Xi’an Aircraft entwickelt seit Anfang 2000 ein Regionalverkehrsflugzeug mit Turboprop-Antrieb, das der ATR stark ähnelt. Mehr darüber zu sagen, wäre politisch inkorrekt und nicht im Interesse des Herstellers.
China hat ein eigenes Tempo
Der französisch-italienische Hersteller muss damit zurechtkommen. Man darf nicht von einer chinesischen Kopie sprechen, deshalb limitiert der Hersteller die Bestuhlung seines Musters auf 30 Sitze, 19 weniger als bei einer wirtschaftlich gebotenen Bestuhlung. Die chinesische MA600 hat eine Kapazität zwischen 50 und 60 Sitzen, die größere MA700 zwischen 70 und 90 Sitzen.
ATR hat die Zulassung dessinier Turboprops in China beantragt. Es scheint, als ob der chinesischen Hersteller das gleiche mit seinem Flugzeug in Europa machen will. Wenn dies der Fall wäre, dann wird sich die Sache nicht nur zwischen ATR und China abspielen, sondern auch noch mit der EASA. Dies ist ein Risiko, denn die Beteiligung der EASA droht den gesamten Prozess und damit die Durchdringung eines der vielversprechendsten Märkte der Zukunft zu verlangsamen.
Gil Roy