Die Boeing 787-8 mit dem Kennzeichen VT-ANB war am 12. Juni 2025 mit 241 Insassen (inkluisve 12 Crewmitgliedern) vom Sardar Vallabhbhai Patel International Airport (ICAO-Vierlettercode VAAH) in Ahmedabad in Indien gestartet. Sie war mit der Flugnummer AI171 auf dem Weg nach London-Gatwick (EGKK). Direkt nach dem Start um 13.05 Uhr Ortszeit verlor das Flugzeug jedoch an Höhe und stürzte auf ein Wohnheim für Studenten. 260 Menschen an Bord des Dreamliners und 19 am Boden kamen ums Leben. Ein Passagier der 787 – er saß auf Sitz 11A – überlebte den Absturz. 67 Menschen am Boden wurden schwer verletzt.
Die Boeing 787 wurde 2013 gebaut und wurde von zwei GEnx-1B70-Turbofans angetrieben. Die 787 hatte 41.868 Flugstunden gesammelt, die Triebwerke 27.791 beziehungsweise 33.439. Im Dezember dieses Jahres wäre das Flugzeug für einen D-Check fällig gewesen.
Nach dem Start auf der Piste 23 gewann die Boeing 787 zunächst an Höhe, dann verlor sie zunehmend an Höhe und kollidierte zunächst mit Bäumen, bevor sie gegen das Studentenwohnheim flog, welches nur 1,7 Kilometer vom Ende der Piste 23 steht. Dabei ging das Flugzeug in Flammen auf und wurde komplett zerstört.
Nur ein Flight Data Recorder konnte ausgewertet werden
Die Boeing 787-8 war mit zwei Enhanced Airborne Flight Recorders (EAFR) ausgerüstet. Diese Geräte zeichnen sowohl Parameter der einzelnen Flugzeugsysteme als auch die Geräusche aus dem Cockpit auf. Eines der Geräte war im Heck, das andere im Vorderteil des Rumpfes installiert. Das vordere Gerät wies zwar deutliche Brandspuren auf, konnte aber von den Unfallermittlern ausgelesen werden. Der EAFR aus dem Heck war zu stark beschädigt, um die Daten auszulesen. Die Daten des ersten Gerätes hatten insgesamt die letzten 49 Betriebsstunden aufgezeichnet, in denen sechs Flüge absolviert wurden.
Der im Heck platzierte Enhanced Airborne Flight Recorder war zu sehr beschädigt, um die Daten auszulesen. © AAIB
Im Bericht wird der Unfall wie folgt beschrieben: „Der Flug sollte von einer Besatzung durchgeführt werden, die aus einem PIC mit ATPL-Lizenz, einem Co-Piloten mit CPL-Lizenz und zehn Flugbegleitern bestand. Beide Piloten waren in Mumbai stationiert und waren am Vortag in Ahmedabad eingetroffen. Sie hatten vor dem Flug eine ausreichende Ruhezeit gehabt. Der Co-Pilot war Pilot Flying (PF) und der PIC war Pilot Monitoring (PM) für den Flug.
Die Besatzung des Fluges AI171 traf am Flughafen ein und unterzog sich um 06.25 UTC einem Atemalkoholtest vor dem Flug, der ergab, dass sie für den Flug fit war. Auf den Aufzeichnungen der Überwachungskameras ist zu sehen, wie die Besatzung um etwa 07.05 UTC (12.35 IST) am Flugsteig eintrifft.“ (…)
Der Treibstoff an Bord betrug 54.200 kg, und gemäß des Load- and Trim Sheets des Fluges betrug das Startgewicht 213.401 kg (maximal zulässig: 218.183 kg). Das Startgewicht lag innerhalb der für die gegebenen Bedingungen zulässigen Grenzen. Es befanden sich keine „gefährlichen Güter” an Bord des Flugzeugs. Die berechneten V-Geschwindigkeiten unter den beim Start herrschenden Bedingungen waren V1 – 153 kts, Vr – 155 kts, V2 – 162 kts.
Das Flugzeug wurde um 07:48:38 UTC beim Verlassen von Gate 34 beobachtet. Die Rollfreigabe wurde um 07:55:15 UTC erteilt, und das Flugzeug rollte um 07:56:08 UTC vom Gate ab. Das Flugzeug rollte über den Taxiway R4 zur Startbahn 23, drehte und richtete sich aus. Die Startfreigabe wurde um 08:07:33 UTC erteilt. Das Flugzeug begann um 08:07:37 UTC zu rollen. Gemäß den EAFR-Daten überschritt das Flugzeug die Startentscheidungsgeschwindigkeit V1 und erreichte um 08:08:33 UTC eine Geschwindigkeit von 153 kts IAS. Die Vr-Geschwindigkeit (155 kts) wurde laut EAFR um 08:08:35 UTC erreicht. Die Luft-/Bodensensoren des Flugzeugs schalteten auf Luftmodus um, was mit dem Abheben um 08:08:39 UTC übereinstimmt.
Das Flugzeug erreichte um ca. 08:08:42 UTC die maximale aufgezeichnete Fluggeschwindigkeit von 180 Knoten IAS, und unmittelbar danach schalteten die Kraftstoffabschaltschalter von Triebwerk 1 und Triebwerk 2 nacheinander mit einem Zeitabstand von 1 Sekunde von der Position RUN auf CUTOFF um. Die Triebwerke N1 und N2 begannen, von ihren Startwerten abzunehmen, da die Kraftstoffzufuhr zu den Triebwerken unterbrochen wurde.
In der Cockpit-Sprachaufzeichnung ist zu hören, wie einer der Piloten den anderen fragt, warum er die Kraftstoffzufuhr unterbrochen habe. Der andere Pilot antwortete, dass er dies nicht getan habe.“
Auf den Aufnahmen einer Überwachungskamera des Flughafens ist zu sehen, dass die Ram Air Turbine (RAT) ausgefahren wird als die 787 noch über der Piste ist. Zu diesem Zeitpunkt wurden keine Vögel in der Nähe des Flugwegs der 787 beobachtet. Noch bevor der Widebody den Flughafenzaun überflogen hatte, begann er schon an Höhe zu verlieren. Die Daten des EAFR zeigen, dass die Drehzahl beiderTriebwerke unter die Miniumum Idle Speed gefallen war und dass die Hydraulikpumpe der RAT um 08:08:47 Uhr UTC den Hydraulikdruck lieferte.
Fünf Sekunden später wird nach den Daten des EAFR der Treibstoff Cutoff-Schalter des Triebwerks 1 wieder auf „RUN“ gestellt, kurz danach auch der Cutoff-Schalter des Triebwerks 2. Dadurch hat das FADEC automatisch ein Wiederanlassen der Triebwerke initiiert.
Warum wurde die Treibstoffzufuhr unterbrochen?
Im Bericht heißt es weiter: „Es wurde beobachtet, dass die EGT (Exhaust Gas Temperature) für beide Triebwerke anstieg, was auf ein Wiederanlassen hindeutet. Die Verzögerung der Drehzahl von Triebwerk 1 stoppte, kehrte sich um und begann sich zu erholen. Triebwerk 2 konnte wieder gezündet werden, konnte jedoch den Drehzahlabfall nicht aufhalten und führte wiederholt Kraftstoff zu, um die Beschleunigung und -erholung zu erhöhen. Die EAFR-Aufzeichnung endete um 08:09:11 UTC.
Um etwa 08:09:05 UTC sendete einer der Piloten ,MAYDAY MAYDAY MAYDAY’. Der Fluglotse fragte nach dem Rufzeichen. Der Fluglotse erhielt keine Antwort, beobachtete jedoch, wie das Flugzeug außerhalb des Flughafengeländes abstürzte, und löste den Notfall aus.
Um 08:14:44 UTC verließ das Crash Fire Tender das Flughafengelände, um Rettungs- und Löscharbeiten durchzuführen.“
Die Ermittlungen werden nun weitergeführt. Die entscheidende Frage ist derzeit, ob und warum einer der Piloten die Fuel Cutoff-Schalter im Steigflug auf „CUTOFF“ gestellt hat. Ein versehentliches Betätigen des Schalters ist unwahrscheinlich, da die Schalter gesichert sind.
Das AAIB gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine Sicherheitsempfehlungen in Bezug auf den Flugzeughersteller, das Flugzeug oder die Triebwerke.
Volker K. Thomalla
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