Homepage » Militär » F-35-Beschaffung auf dem Prüfstand

Portugal und Kanada überdenken ihre im Zuge anstehender Modernisierungsprogramme eingeleiteten Planungen zur Einführung der Lockheed Martin F-35 Lightning II.

18.03.2025

Die Lockheed Martin F-35A Lightning II ist ein Kampfflugzeug der 5. Generation. Kanada wird 2026 die ersten Flugzeuge dieses Typs erhalten, Portugal beabsichtigte bislang ebenfalls eine Beschaffung. © Carsten Vennemann

Hintergrund der Überlegungen sind die jüngsten Äußerungen des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump zur NATO, seine Absichten zur Einverleibung Grönlands und auch die Annäherung der USA an Russland im Ukraine-Konflikt. Die USA werden im Kreis der NATO-Staaten als derzeit sehr unberechenbar angesehen, ihre Verlässlichkeit als Verbündeter und Partner wird sogar angezweifelt. Mehr noch, es besteht die Furcht, dass US-amerikanische Waffensysteme möglicherweise gezielt durch restriktive Maßnahmen auf Geheiß der US-Regierung lahmgelegt werden und im Verteidigungsfall nicht mehr uneingeschränkt eingesetzt werden könnten. Die technologischen Abhängigkeiten und daraus resultierenden Risiken im Betrieb der Waffensysteme werden als inakzeptabel angesehen und lenken den Blick nun auf mögliche Alternativen europäischer Hersteller.

Portugal nimmt vorerst Abstand

Als erste NATO-Nation hat nun zunächst Portugal die Reißleine gezogen und beabsichtigt seine getroffene Entscheidung pro F-35 zu überdenken. Der noch amtierende Verteidigungsminister Nuno Melo gab gegenüber dem portugiesischen Nachrichtenportal „Publico“ an, man dürfe das geopolitische Umfeld bei den nationalen Entscheidungen nicht ignorieren. „Die Berechenbarkeit unserer Verbündeten ist ein wichtiger Faktor, den es zu berücksichtigen gilt“, so Melo gegenüber dem Nachrichtenportal und spielt damit auf die jüngste Positionierung der Vereinigten Staaten gegenüber der NATO an. Die Weltlage habe sich verändert, meint der noch amtierende Verteidigungsminister. Die USA könnten laut Melo Einschränkungen im Betrieb, bei der Wartung, bei der Ersatzteilversorgung und allem, was mit der Einsatzbereitschaft und dem Einsatz des Flugzeugs in allen Szenarien zusammenhängt verursachen. Ein neues Kampfflugzeug jedoch müsse in allen Szenarien uneingeschränkt einsatzfähig sein, so Melos Standpunkt.

Portugal muss in naher Zukunft seine F-16 ausmustern. © Christian Timmig / NATO

Angesichts der Beschaffungsentscheidungen einer Vielzahl europäischer NATO-Nationen hatte 2023 auch die portugiesische Luftwaffenführung gegenüber der Regierung die Einführung der F-35A Lightning II als Nachfolgemuster der betagten Flotte von 28 Lockheed Martin F-16MLU empfohlen. Derzeitigen Planungen zur beabsichtigten Einführung der F-35A Lightning II zufolge sind 5,5 Milliarden Euro vorgesehen, die über einen Zeitraum von 20 Jahren finanziert werden sollen. Der erste Kampfjet der 5. Generation soll im siebten Jahr nach Vertragsunterzeichnung ausgeliefert werden. Da bislang noch kein Beschaffungsvertrag unterzeichnet wurde, kann Portugal seine getroffene Entscheidung noch revidieren und nun auch Kampfflugzeuge europäischer Nationen bei der Auswahl näher betrachten.

Kanada zieht Alternativen in Erwägung

Vor dem Hintergrund des unlängst ausgebrochenen politischen Kampfes mit der Trump-Regierung über Zölle und Drohungen des US-Präsidenten, das Land mit wirtschaftlicher Gewalt zu annektieren, überdenkt auch Kanada nun seine F-35-Beschaffung. Kanada prüft aktiv mögliche Alternativen zum in den USA gebauten Tarnkappenjäger F-35 und wird Gespräche mit konkurrierenden Flugzeugherstellern führen, teilte der im neuen Kabinett von Premierminister Mark Carney wiederernannte Verteidigungsminister Bill Blair der Presse nur einen Tag nach der portugiesischen Verlautbarung mit. Im Rahmen eines umfangreichen Auswahlverfahrens hatte sich die Royal Canadian Air Force (RCAF) Anfang 2022 für die F-35A von Lockheed Martin als zukünftiges Kampfflugzeug entschieden. AeroBuzz hatte darüber berichtet. Im Januar 2023 erfolgte dann die Unterzeichnung des Beschaffungsvertrages über insgesamt 88 Lockheed Martin F-35A als Nachfolgemuster seiner CF-18 Hornet Mehrzweck-Kampfflugzeuge im Gesamtwert von rund 13 Milliarden US-Dollar.

Die CF-188 Hornet ist die kanadische Version der Boeing F/A-18A Hornet. 88 Hornets sind bei der Royal Canadian Air Force im Einsatz und sollen in den nächsten Jahren durch ein neues Kampfflugzeug ersetzt werden. © Royal Canadian Air Force

Für die erste Tranche von 16 F-35A Block 4, der aktuellsten Version des Kampfflugzeuges, wurden bereits entsprechende Zahlungen geleistet. Die Auslieferung der ersten kanadischen F-35A soll in der ersten Hälfte nächsten Jahres erfolgen. Für 2029 ist die volle Einsatzbereitschaft von zunächst einer Staffel vorgesehen, im Zeitraum 2032 bis 2034 soll dann die komplette F-35-Flotte volle Einsatzbereitschaft erlangt haben. Vorausgesetzt, Kanada hält an seinen derzeitigen Planungen fest. Die Abnahme der ersten Tranche von 16 F-35A Lightning II werde vertragskonform erfolgen, versicherte das Verteidigungsministerium. Es gibt nunmehr jedoch Überlegungen, ob tatsächlich alle F-35A abgenommen werden, oder ob der Vertrag vorzeitig aufgelöst wird und ein zweites Flugzeugmuster beschafft werden soll. „Der Premierminister hat mich gebeten, diese Dinge zu untersuchen und Gespräche mit anderen Quellen zu führen, insbesondere, ob es Möglichkeiten geben könnte, diese Kampfflugzeuge in Kanada zu montieren“, so Blair gegenüber den Medien.

Am Ende nur politisches Säbelrasseln?

Portugal und Kanada setzen mit ihren Ankündigungen zwar ein deutliches Signal, dennoch sind die Verlautbarungen beider Nationen zunächst unter Vorbehalt zu betrachten.

Portugals derzeitige Minderheitsregierung ist nach verlorener Vertrauensfrage gestürzt. Neuwahlen sind für den Mai geplant. Ob die dann neugebildete Regierung an der jetzigen Entscheidung festhält, bleibt abzuwarten.

Kanadas Überlegungen bedeuten vorerst nicht den absoluten Ausstieg aus dem F-35-Programm. Eine vorzeitige Auflösung des Vertrags ist mit derzeit nicht kalkulierbaren Strafzahlungen verbunden. Mit Saab und seiner JAS-39E Gripen stünde ein Hersteller als Alternative zur Verfügung, aber auch hier gelten die finanziellen Aufwendungen und auch der zur Umsetzung notwendige Zeitrahmen als noch nicht kalkulierbar. In beiden Nationen ist die Kausa F-35A somit erst einmal noch vollkommen offen.

Carsten Vennemann

 

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Über Carsten Vennemann

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Carsten Vennemann ist ehemaliger Berufssoldat mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr. Als freier Journalist widmet er sich nun den Themen Luftfahrt und Verteidigung und veröffentlicht regelmäßig Beiträge in verschiedenen Fachmagazinen.

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