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Unser Autor nutzt einen Verwandtschaftsbesuch in Brandenburg für einen Abstecher auf einen ehemaligen deutschen Fliegerhorst und sowjetischen Militärstützpunkt.

13.07.2025

Im Event-Hangar am Flugplatz Werneuchen ist eine polnische MiG-21 als Blickfang aufgestellt. © Meiko Haselhorst

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragt der Mann, der schnellen Schrittes aus dem Hangar kommt. Seine eigentliche Frage ist – gemessen an seinem Gesichtsausdruck – wohl eine andere: „Was haben Sie hier zu suchen?“ Der Flughafen, so erfahren wir von ihm, sei durchaus noch in Betrieb. „Und Sie befinden sich gerade auf einem Rollweg, der auch tatsächlich noch als solcher genutzt wird.“  Huch.

Impressionen vom Flugplatz Werneuchen

Ein paar Stunden zuvor an einem Frühstückstisch im brandenburgischen Panketal, der ersten Station auf unserer Reise zur Ost-Verwandtschaft, einen Katzensprung entfernt von der Berliner Stadtgrenze: „Wenn du dir einen verlassenen Sowjet-Flughafen angucken willst – Werneuchen liegt hier gleich um die Ecke“, sagt Hausherr Frank, wohl wissend, dass ich eine gewisse Schwäche für das Thema Luftfahrt habe. „Wenn du willst, können wir auf dem Weg nach Prenzlau (dort wohnen weitere Verwandte,  Anm. des Autoren) noch einen kleinen Schlenker machen und uns da ein bisschen umschauen.“ Das lasse ich mir nicht zweimal sagen – rund eine Stunde später sind wir auf dem Weg nach Werneuchen.

Auf dem Beifahrersitz mache ich mich noch ein wenig im Internet schlau: Der ehemalige Militärflugplatz Werneuchen, so heißt es dort, wurde schon in den 1930er Jahren von der Deutschen Luftwaffe genutzt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er weiter ausgebaut und von den Sowjetischen Truppen bis zu deren Abzug 1993 militärisch genutzt. Heute befindet sich hier ein Sportflugplatz. Es dürfen Flugzeuge bis 5,7 Tonnen Startmasse landen und starten, sowie Hubschrauber ohne Gewichtsbeschränkung, Motorsegler und Ultraleichtflugzeuge.

Ein Großteil des Geländes ist jetzt ein Solarpark

Eine Flugschule und der Aero-Club Werneuchen haben in den Gebäuden ringsherum ihren Sitz – genau wie einige Unternehmen, die mit der Fliegerei nichts zu tun haben. Ein Großteil der riesigen Fläche ist mittlerweile von einer Photovoltaik-Anlage bedeckt. Die lange Start- und Landebahn wurde über Jahre für illegale Autorennen zweckentfremdet. Damit war erst Schluss, als man auf halber Strecke einen großen Erdwall aufschüttete. Letzterer wurde mal einer Schweizer Passagiermaschine zum Verhängnis, die hier im Jahr 2002 eine Notlandung hinlegte und dabei ihr Fahrwerk einbüßte. „Interessant“, meint auch meine Frau, die mit der Fliegerei nicht viel am Hut hat.

Wir nähern uns dem Flugplatz-Gelände aus Nordrichtung. An einem Zaun ist Schluss – jedenfalls fürs Auto. Ein Schild soll „Unbefugte“ davon abhalten, hier ihre Spaziergänge zu machen. „Ich bin Journalist, ich bin immer befugt“, sage ich in einem Anflug von Übermut und Möchtegern-Witzigkeit und zwänge mich seitlich an der Absperrung vorbei. Die anderen können darüber nur bedingt lachen, kommen dann aber doch hinterher.

„Das scheint ein alter Rollweg zu sein, eine Zuwegung zur Start- und Landebahn“, höre ich mich nach ein paar Schritten etwas altklug sagen. Wer weiß, vielleicht ist genau hier Nikita Chruschtschow über den Beton gerollt. Der ehemalige sowjetische Parteichef ist auf einem DDR-Staatsbesuch im August 1957 tatsächlich mal in Werneuchen gelandet – mit einer Tupolew Tu-104. Auch das habe ich im Rahmen meiner Kurzrecherche auf dem Beifahrersitz gelesen.

An einigen Stellen rechts und links vom Weg verstecken sich kleine Hangars zwischen der Vegetation, sogenannte „Bogendeckungen“. Einige sind verriegelt und abgeschlossen, andere stehen offen in der Landschaft herum. Dass sie mal was mit Fliegerei zu tun hatten, ist nur noch zu erahnen. In ihrem Inneren türmt sich der Unrat. Offenbar entsorgen hier nicht wenige Menschen ihren Sperrmüll. „Ich mache hier mal ein bisschen sauber“, sagt meine achtjährige Tochter und schnappt sich einen Staubsauger, der irgendwo zwischen dem ganzen Gerümpel herumsteht.

Während meine Frau mit ihrer Vogelerkennungs-App Nachtigallen und Mönchsgrasmücken in den Büschen ausmacht, laufen meine Tochter, Frank und ich in Richtung eines flachen und bunkerähnlichen Gebäudes. Im Inneren stehen zahlreiche Stühle herum, leere Flaschen und volle Aschenbecher auf den Tischen. „Hier haben wohl irgendwelche Leute Party gemacht“, mutmaßt meine Tochter. „Wahrscheinlich nicht nur einmal“, sage ich. Jemand hat „Welcome to Werneuchen“ an eine der pechschwarzen Wände gekritzelt.

Etwas weiter die nächste Bogendeckung: „Event-Hangar“ steht überm Eingang. Die Lokalität, so erfahren wir von dem eingangs erwähnten Mann, wird für Feiern jeglicher Art vermietet, ebenso für Tagungen oder Seminare. Mit „viel Grün“ und „weitem Himmel“ wird die Halle beworben. Und in der Tat: Grün und weit ist hier an diesem Sommertag alles. Hinten im Hangar steht eine alte MiG-21. „Die kommt aus Polen“, sagt der Mann, der eben noch mit uns geschimpft hat. „Das ist schon etwas Besonderes, da sind wir ein bisschen stolz drauf.“ An einer Wand hängt ein großes Bild in Rot und Silber. Zu sehen: Eine Skyline aus berühmten Gebäuden in Berlin und Moskau, links oben ein Interflug-Logo, rechts oben ein Aeroflot-Emblem. „Das hängt da ehrlich gesagt schon ewig – dazu kann ich gar nichts sagen“, sagt der Mann und zuckt mit den Schultern.

„Würde mich jetzt aber schon interessieren, wie das auf der anderen Seite aussieht“, sagt Frank, als wir auf Geheiß des Event-Mannes das Gelände wieder verlassen haben. Wir setzen uns ins Auto und fahren in einem großen Bogen zur Südseite des Flugplatzes. Dort schauen wir uns ein paar riesige leere Hallen an. Von innen gesehen haben sie das Profil einer gigantischen Tragfläche. Ansonsten weist hier nichts mehr auf ihre einstige Bestimmung hin. Die Wände sind mit Graffiti übersät, in einer Ecke steht winzig ein ausgebranntes Auto.

Ein paar hundert Meter weiter Richtung Osten versteckt sich hinter üppigem Holunder und anderen Sträuchern und Bäumen der alte Tower. Die vielen „Betreten-verboten!“-Schilder wollen nicht so recht zum verwahrlosten Zustand des Gebäudes passen – keine Frage, dass sich hier schon sehr viele Menschen herumgetrieben haben.

„Wir müssten jetzt mal so langsam los“, drängeln Frank und meine Frau. Die Prenzlauer Verwandtschaft wartet. Schade. Nur allzu gern hätte ich mir noch die Start- und Landebahn angeschaut. Mit dem Wall in der Mitte. Allerdings hätten wir dann wieder über irgendwelche langen Rollwege gehen müssen, und die werden ja bekanntlich noch genutzt. Wobei der Mann vom Event-Hangar am Ende einräumen musste: „Ziemlich windig heute – es ist sehr unwahrscheinlich, dass hier jetzt ein Flugzeug vorbeikommt.“

Meiko Haselhorst

 

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Über Meiko Haselhorst

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Meiko Haselhorst (Jahrgang 1974) wollte als Kind immer Pilot werden. Doch es kam anders: Er wurde Tischler, später Redakteur einer Tageszeitung – und arbeitet heute als freiberuflicher Journalist. Seine immer noch vorhandene Leidenschaft für Flugzeuge und fürs Fliegen lebt der Vater von zwei Töchtern nun auf Reisen, in der Literatur und an der Tastatur aus. Der Pilotentraum ist aber noch nicht ganz ausgeträumt....

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