Im Sonnenschirm der Gaststätte am Flugplatz Damme klafft ein ziemlich großes Loch. Jörg Emken schaut hindurch, direkt in den blauen Himmel. Und als würde er dort oben irgendetwas wiedererkennen, fällt es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen: „Das war ja hier!“, ruft er. „Hier am Flugplatz Damme. Hier hab’ ich damals meine Kunstflugprüfung gemacht. Und es war genauso heiß wie heute. Klitschnass war ich danach.”
Die norddeutsche Landschaft durch die Doppeldecker-Flächen gesehen – ein Genuss, in den Jörg Emken häufig kommt. © Jörg Emken
Über 40 Jahre ist das nun her. Jahrzehnte, in denen viel passiert ist. Pilot war er allerdings schon zehn Jahre zuvor geworden. „Angefangen habe ich als Segelflieger – wie so viele andere auch“, erzählt der mittlerweile 75-Jährige. „Das war 1971 in Göttingen.” Emken blättert in einem Fotoalbum und zeigt ein Bild von einem jungen Mann mit langen Haaren. „Das war ich“, sagt er und lacht.
Seine Motorfluglizenz machte er damals „vor allem deshalb, weil wir die Segelflugzeuge ja irgendwie in die Luft kriegen mussten“. Bereut hat er diesen Schritt nie, im Gegenteil: Emken wurde begeisterter Motorflieger. Und da er ein Typ sei, der „immer irgendwas Neues machen muss”, kam mit den Jahren immer noch etwas dazu. Rallye-Fliegen und Kunstflug zum Beispiel. Eine CAP 10b sei das erste Flugzeug gewesen, das mehr gekonnt habe als er selbst. „Einmal habe ich einen negativen Looping damit gemacht. Dem Flugzeug hat das gar nichts ausgemacht, mir schon“, erzählt er. „Das war wirklich fies.“
1983 machte Emken auch die Lizenz fürs Trike. „Wohl als einer der ersten in Deutschland”, mutmaßt er. In Ermangelung eines existierenden deutschen Ratings bekam er ein englisches. Wunderbare Erlebnisse hätten er und seine Frau Ute mit dem leichten Fluggerät gehabt, erzählt er – und zeigt Bilder von Starts und Landungen auf den Stränden und sogar auf Parkplätzen der dänischen Insel Rømø. Damals alles noch möglich.
Sein Rating fürs Trike hat Jörg Emken schon in den frühen 80er Jahren gemacht. © Foto: privat
Als er mal die Gelegenheit bekam, den Doppeldecker eines Bekannten zu fliegen, entbrannte sein Herz für alte Flugzeuge. Ein Feuer, das bis heute nicht erloschen ist. Und was ist noch besser, als einen Bekannten mit einem alten Flugzeug zu haben? Logisch: Selbst ein altes Flugzeug zu haben! Mit einer Rheinflug RW-3 – einem echten Exoten – hatte er noch wenig Glück. „Die haben wir nie richtig in die Luft gebracht”, sagt er. Mit einer Bücker Bestmann lief es dann besser. Ehefrau Ute – seit Jahrzehnten eine begeisterte Mitfliegerin – zeigt ein Foto von dem quietschgelben Flieger mit einem ebenso gelben VW-Kübel davor. „Das einzige eigene Flugzeug, mit dem ich jemals geflogen bin”, sagt Emken ein wenig verträumt. Geflogen ist er natürlich noch zahlreiche andere Muster, einweisungsberechtigt ist er schon seit etlichen Jahrzehnten.
Zwei Notlandungen mit dem Jungmann
„Das war’s eigentlich – was soll ich noch erzählen?”, fragt der Rentner, der einen Großteil seines Berufslebens Geschäftsführer einerdiakonischen Einrichtung war. Seine Frau hilft ihm auf die Sprünge: „Erzähl doch mal was Spannendes. Erzähl doch mal von deinen Notlandungen”, sagt sie. Emken lacht ein wenig verlegen und nippt anseinem Kaffee. Dann erzählt er: „Das war 1988. Ich sollte mit dem Jungmann meines Bekannten von Oldenburg nach Speyer fliegen – da sollte irgendwas dran gemacht werden. Gekommen bin ich aber nur bis Gütersloh, kurz danach setzte der Motor aus, in 200 Metern Höhe. Bin gerade noch so in ein Feld reingeslippt.”
Dieser quietschgelbe ägyptische Bücker Bestmann-Nachbau (Gomhouria 181 Mk.6) war lange Zeit Jörg Emkens eigenes Flugzeug. © Foto: privat
Etwa zwei Wochen später – der Schaden am Flieger war ganz in der Nähe behoben worden – sei er vom gleichen Feld aus wieder gestartet. „Unter den strengen Blicken eines Beamten, der von der Fliegerei sicher keine Ahnung hatte, mir aber ganz genau erklären wollte, wie und wo ich mit welcher Geschwindigkeit vorbeizufahren und dann abzuheben hätte”, sagt Emken und lacht. Der Oldenburger hob ab – wenn auch ein wenig anders, als der Beamte sich das gedacht hatte. „Hab’ aber nie wieder was von ihm gehört”, sagt Emken und muss immer noch lachen.
Auf seinem Weiterflug nach Speyer verging ihm das Lachen leider wiederrecht schnell: „Obwohl die Wetterfrösche etwas ganz anderes gesagt hatten, näherte sich von Westen her plötzlich eine Gewitterfront”, erzählt Emken. „Ich entschied, nach Osten auszuweichen, über die Edertalsperre. Aber die Wetterverhältnisse wurden immer schwieriger – also beschloss ich, umzukehren. Und dann ging mir mitten in der Kurve schon wieder der Motor aus. Auf einem steinigen Acker musste ich notlanden, mit Rückenwind. Als ich unten war, bin ich gerollt und gerollt. Ich sah einen großen Feldstein auf mich zukommen, da riss mir auch noch das Seitenruderseil und ich konnte nichts mehr machen. Im Zeitlupentempo bin ich vor den blöden Stein gefahren und der Flieger hat sich auf den Kopf gestellt.” Der Pilot kam mit dem Schrecken davon. Den Rest des Weges nach Speyer, so Emken, habe man aber lieber mit dem Lastwagen hinter sich gebracht. Mit dem Jungmann seines Bekannten sei er später trotzdem noch oft und gern geflogen.
Eine Notlandung habe er auch mal mit dem Trike hinlegen müssen. „Auch da ist mir der Motor ausgegangen – beim Start.“ Glücklicherweise habe sich ganz in der Nähe die Wiese eines Bauern befunden. „Darauf habe ich ohnehin immer geachtet: Wenn möglich, immer über Feldern fliegen, nicht über Wäldern und nicht über Wasser, vor allem nicht in Oldtimern”, sagt der 75-Jährige und beobachtet neugierig die Landung eines UL, einer DAR Solo 120.
„Dieser Verein ist genau mein Ding“
Dass er vor 13 Jahren bei den Quaxen landete, war alles andere als eine Notsituation. Über die Medien hatte er davon erfahren. „Und dieser Verein war und ist wirklich genau mein Ding”, sagt er. Besonders das Ausmotten auf der Farm und die Schrauberwochenenden in Paderborn liebe er. „Schnacken und fliegen. Dieses Familiäre, dieser Zusammenhalt…” Für einen Norddeutschen wird er für einen Moment geradezu schwärmerisch. „Mit Corona hat das Ganze ein bisschen gelitten“, räumt er ein. „Aber das ist jetzt ja alles wieder besser.”
Was ist eigentlich aus dem eigenen Flieger geworden, dem gelbem Bestmann? „Längst verkauft”, sagt Jörg Emken und winkt ab. Und der Kübel? „Auch verkauft“, sagt der Oldenburger – und der Tonfall lässt vermuten, dass er den Verlust des Autos mehr bedauert als den Verlust seines Fliegers. Ist das wirklich so? Ute Emken übernimmt die Antwort: „Das ist wirklich so. Aber nur, weil er bei den Quaxen regelmäßig andere schöne Oldtimer fliegen kann.“ Emken lächelt und nickt. Und wie lange möchte er noch fliegen? Und wieder schaut der 75-Jährige durch das große Loch im Sonnenschirm der Gaststätte. Der Himmel ist immer noch blau. „Solange das Medical es zulässt”, sagt Jörg Emken dann. Den Quaxen, soviel stehe fest, werde er auch darüberhinaus die Treue halten.
Epilog: Das Gespräch mit Jörg Emken hatte im Sommer stattgefunden. Auf der jüngsten Jahreshauptversammlung der Quaxe Anfang November erzählte der 75-Jährige dann von seinem Herzinfarkt und seinen sieben Stents – das Medical ist erst mal futsch. Für ein Weilchen war er ziemlich „down“ – jetzt möchte er’s aber noch mal wissen und hofft, bald wieder im Cockpit sitzen zu dürfen.
Meiko Haselhorst
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