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„Wettrennen“ zwischen E-Auto und Elektro-Flugzeug

Die „E-Flight Challenge 2023“ sollte vor allem eins: Fortschritte der E-Mobilität und Optionen für den Luftverkehr von morgen aufzeigen.

1.09.2023

Der Elektra Trainer im Hangar in Oerlinghausen. © Meiko Haselhorst

29. August 2023, 17.05 Uhr, Flugplatz Oerlinghausen in Ostwestfalen-Lippe: Ein Hauch von Pioniergeist liegt in der Luft. Auf Startbahn 04 hebt gerade der „Elektra Trainer“ ab, ein Elektroflugzeug des deutschen Herstellers Elektra Solar GmbH. Das Ziel: Norderney. Zeitgleich ist auch ein „Lucid Air“ auf dem Weg zur Nordsee, ein E-Auto des US-amerikanischen Herstellers Lucid Motors. Die beiden liefern sich an diesem Tag ein Rennen von Süd- nach Norddeutschland.

Wobei: „An diesem Tag“ stimmt nicht so ganz. Weil das Wetter nicht mitspielen wollte, hatte sich die Flugzeugcrew für die erste Etappe (vom bayerischen Memmingen nach Gelnhausen im südöstlichen Hessen) schon einen Tag früher als geplant auf den Weg machen müssen – und zwar mit dem Flieger im Anhänger. Von Gelnhausen ging’s dann am nächsten Tag weiter nach Oerlinghausen (nordöstliches Nordrhein-Westfalen), diesmal durch die Luft.

Gegen 14 Uhr landete der Elektroflieger auf dem großen Segelflugplatz am Teutoburger Wald. Und während Pilot und weitere Projekt-Verantwortliche der örtlichen Presse und anderen Medien Rede und Antwort standen, konnte der Elektra Trainer seine Akkus aufladen. Gegen 17 Uhr machte sich das Flugzeug dann wieder auf den Weg zur Küste, schließlich wollte man pünktlich auf Norderney ankommen. Das Auto hatte – entgegen der eigentlichen Ankündigung – erst gar nicht in Oerlinghausen gehalten. „Die wollen wohl wirklich gewinnen“, mutmaßte Projekt-Initiator Morell Westermann und grinste.

Während Pilot und andere Verantwortliche der Presse Rede und Antwort standen, konnte der Elektra Trainer in Ruhe aufladen. © Meiko Haselhorst

Und das Vorhaben der Autofahrer gelang: Um 18.13 Uhr, so die Meldung am frühen Abend, sei der Lucid auf dem Insel-Flugplatz angekommen, der Flieger etwa eine halbe Stunde später. „Die haben Glück gehabt, dass sie gerade noch so die 17-Uhr-Fähre bekommen haben“, erklärte Morell Westermann, der insgeheim auf ein echtes Foto-Finish gehofft hatte. Wie dem auch sei: Für einen gemeinsamen „Sundowner“ hat es noch gereicht.

Die „E-Flight Challenge“

Der Gram des Piloten ob seines zweiten Platzes wird sich in Grenzen halten – ein „Rennen“ im eigentlichen Sinne war die Challenge 2023 ohnehin nicht: Die Mission, so hatte es in einer vorher verbreiteten Pressemitteilung geheißen, sei es, die rasante Technologieentwicklung in der Luftfahrt und in der Automobil-Industrie zu präsentieren. Oder wie es Projekt-Initiator Morell Westermann ausdrückt: „Die Grenzen der elektrischen Mobilität sowohl am Boden als auch in der Luft ausreizen und nachhaltige Transportlösungen aufzeigen.“

Pilot Uwe Nortmann erklärte das Flugzeug, von dem er offenbar ziemlich angetan ist.© Meiko Haselhorst

Das Wettrennen zwischen E-Auto und E-Flugzeug, so die Meldung weiter, solle deutlich machen, „wie alltagstauglich die E-Mobilität heute schon ist und wie schnell die Entwicklung der letzten Jahre vorangeschritten ist“. Seien beim Elektroflug von 2020, bei dem eine ganz ähnliche Strecke geflogen wurde, noch drei Tage mit elf (!) Ladestopps einzuplanen gewesen, hätten sich die Projektpartner Elektra Solar und Lucid Motors nun das Ziel gesetzt, die Strecke von Memmingen nach Norderney an einem Tag zu bewältigen – mit Zwischenlandungen in Gelnhausen und Oerlinghausen.

Der „Lucid Air“ mit seiner außergewöhnlichen Reichweite von mehr als 800 Kilometern, so hatte es im Vorfeld geheißen, werde versuchen, Norderney vor dem Elektra Trainer zu erreichen. „Rechnerisch liegen beide Verkehrsmittel gleichauf und so werden Einflüsse wie Verkehrsstaus am Boden, Gegenwind in der Luft, Umleitungen oder verweigerte Freigaben durch Kontrollzonen großer Flughäfen die Challenge beeinflussen. Es bleibt also spannend, wer das Rennen für sich entscheiden kann“, so die Ankündigung. Von tiefhängenden Wolken und Regen in Memmingen war da noch nicht die Rede gewesen….

Fazit: Wenn das bayerische Wetter am 29. August nicht verrückt gespielt hätte, wäre der Ein-Tages-Plan sicherlich aufgegangen. Ein Erfolg war die Aktion auch so. Dass das E-Fliegen auf kurzen Strecken künftig eine echte Option sein wird, bezweifelt ohnehin kaum noch jemand.

Zukunftsforscher und Projekt-Initiator Morell Westermann (mit weißer Kappe) im Gespräch mit technisch Interessierten. © Meiko Haselhorst

Challenge-Initiator Morell Westermann ist Zukunftsforscher, Ingenieur und Pilot. Er analysiert die Megatrends der nächsten zehn Jahre und untersucht dabei Technologie-Entwicklungen, die unsere Gesellschaft in Zukunft vermutlich prägen werden. Als Experte für die Themen Aviatik, Elektromobilität sowie Digitalisierung, möchte er durch seine Projekte Wege zu einer CO₂-neutralen Gesellschaft aufzeigen. Westermann war nach eigenem Bekunden ein bisschen traurig, dass er bei der jüngsten Challenge nicht als Co-Pilot dabei war – aber die zusätzlichen Reserve-Akkus an Bord des Fliegers waren in diesem Fall wichtiger…

Flugzeughersteller Elektra Solar

Die Firma Elektra Solar des Konstrukteurs Calin Gologan steht für nachhaltigen Luftfahrzeugbetrieb in Europa. Schon 2011 flog der voll-elektrische und solarbetriebene Einsitzer Elektra One. Es folgten zweisitzige bemannte und unbemannte Solarflugzeuge zur Erforschung der Stratosphäre (zum Beispiel Solar-Stratos). Mit dem Elektra Trainer werde nun ein praxistaugliches Schulungsflugzeug in Serie produziert, „das in mehrsitzigen Varianten ideal für Punkt-zu-Punkt-Luftverkehrsverbindungen in Deutschland geeignet sein wird“, heißt es von Seiten des Unternehmens. Der Elektra Trainer der Elektra Solar GmbH sei als erstes zertifiziertes, voll-elektrisches Ultraleicht-Flugzeug in der Lage, rund drei Stunden in der Luft zu bleiben.

Flugplatz Oerlinghausen

Der als Sonderlandeplatz klassifizierte Flugplatz Oerlinghausen, so heißt es in einer Mitteilung, sehe seine Zukunft in der Weiterentwicklung des elektrischen Fliegens – sowohl in der Ausbildung als auch beim Reiseflug. Die hierfür benötigte Infrastruktur werde derzeit geplant und in Bälde ausgebaut. Die Erzeugung der nötigen Energie geschehe bereits jetzt durch Solaranlagen auf den Hallendächern, „deren massiver Ausbau auch weiterhin verfolgt wird“. Insbesondere die Segelflugschule Oerlinghausen nehme eine Vorreiterrolle bei Technologien des elektrischen Fliegens im Segel- und Motorflug wahr.

Meiko Haselhorst

 

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Über Meiko Haselhorst

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Meiko Haselhorst wollte als Kind immer Pilot werden. Doch es kam anders: Er wurde Tischler, später Redakteur einer Tageszeitung – und arbeitet heute als freiberuflicher Journalist. Seine immer noch vorhandene Leidenschaft für Flugzege und fürs Fliegen lebt der zweifache Vater zuweilen auf Reisen und an der Tastatur aus.

Ein Kommentar

  • Heiko Link

    Also ich weiß nicht, bei so ’nem Rennen fehlt mir irgendwie Werners röhrende Satte Literschüssel als „Yellow-E-Flugzeug-Killer“ und den Verlierer hätte ich dann auch gerne mit Katzen******* beschmissen! Sportlerwette kann ja jeder! 😁🤣😜

    In diesem Sinne: Heiter weiter! 😃

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