Der slowenische Flugzeughersteller Pipistrel Aircraft ist eine Innovationsschmiede. Das Unternehmen hat unter anderem mit der Velis Electro das weltweit erste in Serie gebaute Elektroflugzeug zugelassen und hat bereits über 100 dieser Flugzeuge an Kunden übergeben. Aber das seit dem Frühjahr 2022 zu Textron eAviation gehörende Unternehmen setzt seine Innovationskraft nicht nur für bemannte Fluggeräte ein, sondern arbeitet auch an der Entwicklung von unbemannten Fluggeräten wie der Frachtdrohne Nuuva V300, die Pipistrel auf der Paris Air Show im Juni dieses Jahres erstmalig einem breiten Publikum zeigte. AeroBuzz hat in Le Bourget mit Gabriel Massey, dem Präsidenten und Managing Director, von Pipistrel Aircraft gesprochen.
Pipistrel Nuuva V300
Die Nuuva V300 ist ein hybrid-elektrisch angetriebene Frachtdrohne von Pipistrel Aircraft. © V. K. Thomalla
Massey sagte, dass Pipistrel mit der Nuuva V300 einen großen Markt mit einer Vielzahl von Anwendungen anspreche. Dazu zählten neben zivilen Anwendungen auch Anwendungen für staatliche Betreiber. Die Nuuva V300 wurde unter anderem für Frachttransporte, logistische Aufgaben und humanitäre Missionen entwickelt. Das hybrid-elektrisch angetriebene Fluggerät ist kein kleines Luftfahrzeug. Es übertrifft mit seiner Spannweite von 13,20 Meter ein typisches Flugzeug der Allgemeinen Luftfahrt wie beispielsweise eine Cessna 172 Skyhawk, die auf 11 Meter Spannweite kommt. Die Flügelfläche der Nuuva V300 beträgt 23 Quadratmeter. Der auf zwei Auslegern ruhende Frachtpod der Drohne ist einen Meter hoch, 85 Zentimeter breit und 3,65 Meter lang. Sie soll bis zu 300 nautische Meilen weit fliegen und dabei bis zu 272 Kilogramm Fracht befördern. Um die Fracht zu laden und zu entladen, kann die Nase des Frachtpods hochgeklappt werden. In den Boden des Fluggeräts sind Rollen installiert, die die Beladung erleichtern.
Erstflug im Januar 2025
Im Januar 2025 hat der Nuuva V300-Prototyp seinen Erstflug absolviert. Zunächst stieg das – derzeit noch rein elektrisch angetriebene – Fluggerät nur auf und hoverte auf der Stelle. Für die Messe in Paris unterbrach Pipistrel das Flugtestprogramm der Nuuva V300. Bei dem ausgestellten Fluggerät handelte es sich um den fliegenden Prototyp, der aber nach Angaben von Massey dem späteren Produktionsstandard entspricht. „Bis Ende dieses Jahres werden wir ein zweites Flight Test Vehicle zur Verfügung haben“, sagte Massey. Mit diesem zweiten Exemplar werde auch der Vorwärtsflug sowie der Übergang vom Hovern in den Vorwärtsflug erprobt.
Als Antrieb der Drohne dienen acht Pipistrel E-811-Elektromotoren, die mit einer leichten Neigung zur Seite auf den Auslegern angebracht sind. Ein Druckpropeller im Heck sorgt im Vorwärtsflug für den Vortrieb. Zwei Tragflächenpaare – eines unter dem Rumpf und eines am Heck sorgen beim Vorwärtsflug für den notwendigen Auftrieb. Massey sagte, man habe bei der Nuuva V300 viele Building Blocks und Technologien integriert, die von anderen Pipistrel-Produkten stammen. Beispielsweise stammen die Flügelauslegung und die Composite-Produktionsverfahren von den Leichtflugzeugen des Herstellers, während die E-811-Elektromotoren aus der Velis Electro stammen.
Die Flugsteuerung hat die – ebenfalls zu Textron eAviation gehörende – Amazilia Aerospace aus München beigesteuert. Die Nuuva V300 fliegt automatisch und wird von einem menschlichen Controller überwacht. „Sie wird nicht ferngesteuert, aber der Mensch ist immer im Loop“, sagte Massey. Die offene Systemarchitektur erlaube es, sukzessive weitere Schritte in Richtung des autonomen Fliegens zu integrieren.
Pipistrel hat einen digitalen Zwilling der Nuuva V300 programmiert, der es ermögliche, das Verhalten der Drohne und ihrer Systeme vorab zu simulieren. „Soweit waren unsere digitalen Modelle sehr gut“, lobt Massey.
Da die Nuuva V300 senkrecht startet und landet, benötigt sie keine Start- und Landebahn. Die Infrastruktur für den Betrieb, beispielsweise für das Laden der Batterien oder die Betankung für den Hybridantrieb werde vom Kunden definiert, sagte Massey. Da sei man im Dialog mit den späteren Nutzern.
Während die ersten Flüge der Nuuva V300 rein elektrisch erfolgten, sollen die Serienfluggeräte über einen hybrid-elektrischen Antrieb verfügen, denn die derzeit verfügbare Batterie-Technologie reiche nicht aus, um die gewünschten Leistungen und Reichweiten zu erzielen. Die Zusammenarbeit mit der italienischen Luftfahrtbehörde ENAC – die Flugerprobung der Nuuva V300 findet auf einem Flugplatz an der slowenisch-italienischen Grenze statt – und der EASA bezeichnet Massey als sehr gut. Die EASA sei sehr engagiert und hilfreich bei der Erstellung der Regularien, unter denen Fluggeräte wie die Nuuva später betrieben werden sollen, so Massey.
Volker K. Thomalla
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