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Die Sicherheit der Luftfahrt in Nepal ist eine Herausforderung. Extreme geografische und meteorologische Bedingungen sorgen immer wieder für Zwischenfälle und Unfälle. Unser Autor ist mit einer ATR 42 der Buddha Air geflogen und wurde überrascht.

9.04.2024

Die Fluggesellschaft Buddha Air betreibt drei ATR 42-300 (Foto) sowie 13 ATR 72-500. © Ralf Kurz

Gemächlich trabt ein wildes Panzernashorn entlang einer belebten Strasse der nepalesischen Kleinstadt Sauhara im Süden des Landes. Für die Einheimischen scheinbar normaler Alltag. Den anwesenden Touristen bietet es allerdings eine überraschende Tierbegegnung, von der vorher niemand zu träumen gewagt hatte. Grund für solches einmalige Naturerlebnis ist der angrenzende Chitwan National Park, welcher sich über 932 Quadratkilometer erstreckt. Im Jahr 1973 gegründet, war dieses Reservat landesweit das erste geschützte Naturschutzgebiet. Neben dem Kathmandu Valley und der Stadt Pokhara im Westen, dem Ausgangspunkt von Trekkingtouren, zählt er zu den wichtigsten Touristenattraktionen von Nepal. Eine Pirsch kann zu Fuß, im Boot, per Jeep oder mittels Elefantenritt unternommen werden. Aber nur vom Rücken der Dickhäuter lässt sich mit viel Glück auch einer der seltenen Bengal-Tiger erspähen. Die offensichtlich harmloseren Panzernashörner nehmen dagegen auf ihrem Weg zum Ufer des Rapti, des örtlichen Flusses, eine Abkürzung mitten durchs Stadtzentrum.

Wie aber kommt man als Individualreisender zum Chitwan National Park? Zwar bieten Spezialveranstalter komplette Reisepakete an, bei denen sich die Teilnehmer um nichts zu kümmern brauchen. Doch solche Programme sind extrem teuer, häufig anstrengend ohne Erholungspausen, und werden meistens in unverträglich hoher Gruppengröße durchgeführt. Welche Abenteuer erwarten nun aber Leute, die lieber selber alles organisieren wollen? Zumindest bezüglich der interkontinentalen Anreise, von den europäischen Alpen zum gewaltigen Himalaja, existieren günstige Angebote. Mittels FlyDubai gelangt man recht schnell, nach Fliegerwechsel in Dubai, sogar von Salzburg bis Kathmandu. Betreffend üblicher Einreisevorschriften klingt das Verfahren „Visa-on-Arrival“ zunächst einmal sehr gut.

Die Einreise kann zur Herausforderung werden

Wer will schon Wochen vorher seinen Reisepass zwischen Wohnort und Botschaft dem unsicheren Postweg anvertrauen? Dann lieber geforderten Dollarbetrag in Höhe der Visa-Gebühren abgezählt hinblättern, und Augenblicke später sollten die meisten Formalitäten erledigt sein. So lautet zumindest die Vorstellung für Staaten, deren Wirtschaft besonders stark vom Tourismus abhängen. Wie zum Beispiel bei beliebten Nationen in der Golfregion. Dort dauern hoch digitalisierte Ein- und Ausreiseprozesse nur noch Sekunden, ohne jemals einen Beamten zu Gesicht zu bekommen. Jeder Besucher soll keine Minute verlieren, um in gigantischen Shopping Malls sein Geld loszuwerden.

Ein Panzernashorn trabt gemütlich durch die Straßen der Kleinstadt Sauhara in Nepal. © Markus Huber

Davon kann am Kathmandu International Airport überhaupt keine Rede sein. Ganz im Gegenteil, das Bezahlverfahren erweist sich als ein Buch mit sieben Siegeln. Das Haupthindernis stellt der sogenannte Visa-Kiosk dar, welcher einem simplen Fahrkartenautomat gleicht. Lediglich nach Fütterung mit einer Vielzahl persönlicher Daten spuckt er (hoffentlich) eine Registriernummer aus, die man zum Bezahlen der Visa-Gebühr an einem Sonderschalter unbedingt benötigt. Nach zweistündigem Kampf mit dem gefürchteten Gerät geht es dann aber an der verwaisten Passkontrolle schnell weiter. Dagegen wird hinter mir die Schlange der Ankommenden an den Visa-Kiosken immer länger. Vermutlich hätte auch ich es ohne die Hilfe eines nepalesischen Experten, der ständig zwischen den Geräten pendelt, um genervte Ankömmlinge zu unterstützen, niemals zur Gepäckausgabe geschafft. Dort wartet mein Koffer schon seit drei Stunden darauf, endlich abgeholt zu werden. Jedenfalls möchte ich es heute noch bis zum Chitwan National Park schaffen. Der liegt nur 170 Kilometer südwestlich von Kathmandu. Doch wer sich für den Bus entscheidet, muss früh aufstehen. Rund acht Fahrstunden auf holpriger Piste sind im besten Fall dafür zu veranschlagen – falls nichts dazwischen kommt.

20 Minuten Flug statt 8 Stunden Busfahrt

Da klingt das Angebot von Buddha Air, die gleiche Strecke in kurzen 20 Flugminuten zu bewältigen, deutlich besser. Doch wie schafft man es von der internationalen Ankunftshalle zum in Sichtweite liegenden Inlandsterminal? Hunderte Menschen, und Dutzende, permanent hupende Fahrzeuge blockieren von allen Seiten den direkten Weg. Für jeden europäischen Betrachter herrschen hier total chaotische Verhältnisse. Trotzdem scheinen alle Akteure im gefühlten Durcheinander nie den Überblick zu verlieren. Der einzige Schalter der Buddha Air liegt zum Glück gleich am Eingang des Terminals, welches sich von einer Markthalle kaum unterscheidet. An einer Luke ohne Scheiben, gesichert durch dicke Metallstäbe, wird mein Anliegen zügig bearbeitet. Der Andrang hält sich in Grenzen, weil sich in Nepal, wie überall auf der Welt, Flugtickets schnell und einfach mittels Smartphone buchen und bezahlen lassen. Probleme machen lediglich die Dollarscheine, welche akribisch genau auf kleinste Beschädigungen untersucht werden. Noch ist mein Vorrat groß, doch in den nächsten Tagen wird es immer schwieriger, die schwindende Menge loszuwerden. Auch wenn Reservierung per Handy einfach ist, am unübersichtlichen Gedränge auf dem Weg zum Flieger kommt hier letztendlich keiner vorbei.

Buddha Air startete ihren Flugbetrieb im Jahr 1997 mit zwei werksneuen Beechcraft 1900D. Das Privatunternehmen hat seitdem fast 14 Millionen Passagiere befördert. Bei rund 100 täglichen Flügen zählte man 2022 etwa 2,4 Millionen Kunden und bedient landesweit ein Dutzend Airports. Damit ist die Airline absoluter Marktführer im inländischen Luftverkehr. Konkurrenten wie Yeti Airlines oder Shree Airlines operieren deutlich weniger Flugzeuge und schaffen viel geringere Beförderungszahlen. Die Flotte von Buddha Air besteht aktuell aus drei ATR 42-300 sowie dreizehn ATR 72-500. Mein Zielflughafen heißt Bharatpur und liegt eine halbstündige Autofahrt vom Chitwan National Park entfernt. Weil die Runway nur 1.158 Meter kurz ist, können lediglich kleinere ATR 42 dorthin eingesetzt werden. Wegen der vielen Touristen nach Bharatpur gibt es dreimal täglich eine Verbindung nach Kathmandu. Ausländer zahlen zirka 100 Dollar pro Strecke, den dreifachen Betrag gegenüber Nepalis.

Nepal gilt bezüglich Flugsicherheit als eines der unsichersten Länder weltweit. Bisher kamen bei 39 Abstürzen 748 Menschen ums Leben. Zu dem zweifelhaften Mythos beigetragen hat sicher der berüchtigte Hochgebirgs-Ort Lukla. Er wird in Fachkreisen als global gefährlichster Airport eingestuft. Dessen abschüssige, 527 Meter kurze Runway gleicht eher einer Sprungschanze als einer völlig normalen Landepiste. Doch als Ausgangspunkt für Expeditionen zum Gipfel des Mount Everest führt kein Weg an diesem riskanten Flugplatz vorbei.

Der mit 8.848 Meter höchste Berg unserer Erde spielt auch für Buddha Air eine wichtige Rolle. Damals, am 11.Oktober 1997, markierte ein Rundflug über den Giganten mit einer nagelneuen Beechcraft 1900D den Beginn einer aviatischen Erfolgsstory. Bis heute ist dieser unvergessliche Sightseeing-Trip im Flugangebot, eher aus Werbegründen und weniger als wirtschaftliches Standbein. Nepal wird seinen schlechten Ruf als Krisenregion betreffend der Luftfahrt einfach nicht los. Es hat sicherlich mit der miserablen Infrastruktur zu tun, wofür heimische Airlines natürlich nichts können. Doch auch gravierende Fehlentscheidungen hinsichtlich der Flottenpolitik einiger Firmen hat unbefriedigte Situation weiter verschlimmert. Die Europäische Union reagierte darauf im Jahr 2013 mit ihrem wohl schärfsten Schwert. Sie setzte alle nepalesischen Gesellschaften auf die sogenannte Schwarze Liste. Es bedeutet ein striktes Einflugverbot in deren Mitgliedsländer. Verständlich, wenn man sich einst glorreiche Royal Air Nepal heute anschaut. Nach Abschaffung der Monarchie im Jahr 2008 heißt das Staatsunternehmen jetzt Nepal Airlines. Geschrumpft auf vier Jets – zwei Airbus 320 sowie zwei A330 – ist sie zuhause den stark expandierenden Megacarriern aus dem Ausland hoffnungslos unterlegen. Bislang existiert an der Heimatbasis Kathmandu nicht einmal ein Hangar für beide Widebodies.

Erster geschlossener Hangar des Landes

Ganz anders schauen die Investitionen dagegen bei Buddha Air aus. Für recht bescheidene drei Millionen Dollar baute man 2012 den ersten geschlossenen Flugzeughangar des Landes. Während auf dem benachbarten Gelände einige Harbin Y-12 und Xian MA-60 zu verrotten scheinen, brillieren die Mechaniker der Regionallinie mit höchstem Know-how betreffend europäischer Commuterflotte.

Als erfahrene Piloten der auf Überführungen spezialisierten Firma Alpha2Bravo die beiden ausgemusterten Beechcraft 1900D von Buddha Air abholten, trauten sie kaum ihren Augen. Wie fabrikneu standen das Flugzeug des damaligen Premierenfluges von 1997 und seine Schwestermaschine zum Ferryflug um den halben Globus bereit, nach 25 Einsatzjahren unter härtesten Bedingungen unterhalb imposanter Gebirgsketten des mächtigen Himalaya. Seit 2023 fliegt das Duo nun als Päckchenfrachter für die kanadische SkyLink Express.

Meine abenteuerliche Reise zum Chitwan National Park in Nepal wird mir nicht nur wegen einiger Panzernashörner noch lange in Erinnerung bleiben. Auch am Luftfahrthimmel eines der ärmsten Länder der Welt geschehen manchmal unvermutete Wunder!

Ralf Kurz

 

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Über Ralf Kurz

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Mein Name ist Ralf Kurz und ich wurde 1958 in München geboren. Seit der Kindheit fasziniert mich die Fliegerei. Meinen Traumjob, Pilot zu werden, konnte ich nicht realisieren. Nebenberuflich arbeite ich als freier Luftfahrtjournalist. In den letzten drei Jahrzehnten wurden über 90 Artikel und Reisereportagen in deutsch- und englischsprachigen Fachmagazinen von mir publiziert. Schwerpunkt sind dabei kleinere Airlines in exotischen Ländern, welche bei uns unbekannt sind. Zudem bin ich Mitglied der deutschen Sektion von MAF, einem christlichen Flugdienst, der rund 120 Kleinflugzeuge in 27 Staaten betreibt. Zwecks Erstellung von Fotoreportagen über unsere MAF-Projekte führten mich Reisen nach Amazonien, Angola, Bangladesch, Lesotho, Madagaskar, Mosambik, Mongolei, Neuguinea, Osttimor, Suriname und Uganda. Alles geschah auf eigene Kosten in meiner Freizeit, verwendet wird ausschließlich selbst erstelltes Fotomaterial.

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