Was knattert denn da oben? Hört sich ja fast wie ein fliegendes Mofa an, nur deutlich lauter. Und sieht aus wie – ja, wie denn eigentlich? Wie ein alter Motorsegler vielleicht. Aber irgendwie speziell. Mit einem großen Propeller hinterm Cockpit. Kann eigentlich nur einer sein: Stephan Ester mit seiner Motorkrähe. Nach einer kleinen Platzrunde am malerischen Warburger Himmel mit seinen Schäfchenwolken landet er wieder und rollt über die Graswiese – direkt vor den kleinen Vereinshangar des LSV Warburg.
Raab Motorkrähe
Stephan Ester und seine Krähe am blau-weißen Warburger Bilderbuch-Himmel. © Meiko Haselhorst
Der 64-Jährige ist im Paderborner Land vor allem für seine blau-weiße Antonow An-2 bekannt, jenen großen Doppeldecker aus sowjetischer Produktion. Aber in besagtem Schuppen am schnuckeligen Flugplatz Warburg-Am Heinberg steht noch ein weiteres Flugzeug von ihm. Ein echtes Schätzchen. Eine Raab Motorkrähe IV. Und zwar genau jenes Exemplar, das Konstrukteur Max Schmid vom Flugzeugbauer Horten sich in den 60er Jahren für den eigenen Gebrauch gebaut hat. Wie kam es dazu, dass dieser Vogel jetzt im Besitz von Stephan Ester ist?
Eigentlich wollte Ester ein anderes Flugzeug
„Eigentlich war ich mit meiner Tochter auf der Suche nach einer motorisierten K 8″, erzählt der promovierte Ingenieur, der lange Zeit Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens war und jetzt nach eigener Aussage „viel Zeit zum Fliegen“ hat. Man habe damals ein bisschen hier und ein bisschen da geguckt, und dann sei man auf dem Hofgut Tierstein in Rottweil – bis heute Wohnsitz der Familie Schmid – ganz unvermittelt über die Krähe gestolpert. Im Jahr 2012 sei das gewesen. „Die stand dort in einer Scheune“, sagt Ester. „Teilweise zerlegt, aber sonst in einem sehr guten Zustand.“ Ester war sofort hin und weg.
Max Schmid, der im Jahr 1988 starb, so erzählt Ester, habe den Einsitzer seinerzeit seinem Sohn vermacht. Der sei zwar kein Flieger, habe aber trotzdem sehr an der Krähe gehangen. Und die Tochter auch. So habe er ziemlich lange kämpfen müssen, bevor er den Vogel kaufen durfte. Dass er in der Lage sei, eine Antonow An-2 zu halten und zu fliegen, sei im Rahmen der Überzeugungsarbeit sicher kein Nachteil gewesen, mutmaßt Ester. „Wer mit einer An-2 umgehen kann, kann’s wahrscheinlich auch mit einer Motorkrähe“, sagt er und lächelt. Ein paar Eingeständnisse machte er gerne: „Die Lackierung sollte so bleiben, einschließlich der von Max Schmid gemalten Krähe am Bug“, erzählt Ester. Ebenso der Schriftzug „Cocora“, der Legende nach eins der ersten Worte, die die Tochter sprach. „Das Triebwerk ist auch noch das Original“, betont Ester.
Propeller und Verspannung der Motorkrähe sind alt – das Kennzeichen neu. © Meiko Haselhorst
Nachdem der Kauf letztlich getätigt war, habe die Firma Gehling Flugtechnik die Krähe wieder aufgebaut. Der Motor wurde komplett auseinander- und wieder zusammengebaut, die Leimungen überprüft, ein Funkgerät musste eingebaut werden. Die Maschine bekam ein neues Kennzeichen (von D-KAPA auf D-KOKY), viel Papierkrams musste erledigt werden – was größtenteils Familie Schmid übernahm.
Der erste Start erfolgte noch per F-Schlepp
Und dann war es eines schönen Tages soweit: Stephan Ester überführte seine Krähe nach Warburg. Anderthalb Stunden Flug. Start per F-Schlepp. „Ich wusste noch nicht, was ich dem Triebwerk zumuten konnte“, sagt Ester. Nach 12 Jahren Motorkrähe weiß der Ingenieur natürlich längst, was er an dem alten Hirth-F-10-Motor hat – und auch, wie man ihn instandhält. „Ein Service-Techniker von Hirth, längst im Ruhestand, berät mich“, freut sich Ester.
Zwei- bis dreimal im Monat sei er mit seiner Krähe unterwegs, über alle Jahreszeiten. Die ein oder andere Flugveranstaltung habe er zur Freude der dort Anwesenden schon besucht, aber alles in allem sei er mehr der Typ, der das Fliegen still und für sich allein genieße. Das ganz große Publikum brauche er nicht.
So, genug gequatscht. „Herrliches Wetter heute, wunderbarer Himmel“, sagt Stephan Ester. „Ich muss noch mal losknattern.“ Spricht’s, wirft den Motor an – und knattert los.
Meiko Haselhorst
Info:
Die Konstruktion für die Krähe IV stammt von Fritz Raab aus Unterföhring. Ihr Erstflug fand 1957 statt. Die Krähe entstand ausschließlich im Eigenbau. Etwa 50 Exemplare sollen gefertigt worden sein.
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