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Nach einem Aufenthalt in Grimma klappert unser Autor auf der Rückfahrt ein paar Flughäfen im deutschen Osten ab.

9.05.2024

Die einstigen Verwaltungsgebäude des Flughafens Magdeburg-Cochstedt stehen größtenteils leer. © Meiko Haselhorst

Kaum habe ich die Seitentür meines Bullis aufgeschoben, da steht er auch schon vor mir, der Mann mit der gelben Weste. „Security“ ist darauf zu lesen. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragt er mich. In seinem Gesicht lese ich aber eher die Frage: „Was suchen Sie denn hier?“ Also erkläre ich ihm, dass ich mich auf der Rückreise von Sachsen nach Ostwestfalen befinde und dass ich mir bei der Gelegenheit ein paar Flughäfen anschaue, weil ich das halt manchmal so mache. „Aber wenn Sie mich schon so nett fragen, ob Sie mir helfen können – vielleicht könnten Sie mir die hier mit Leitungswasser vollmachen…“, schiebe ich vorsichtig hinterher und halte ihm die pinkfarbene und leere Trinkflasche hin, die mir meine Töchter mitgegeben haben. Aus dem Augenwinkel sehe ich bereits einen weiteren Wachmann mit Hund anrücken…

Ein paar Stunden zuvor: Ich bin in Grimma, verabschiede mich von einem alten Freund, setze mich in meinen Bulli und mache mich auf den Rückweg nach Hause. Schon nach wenigen Kilometern beschließe ich, mir noch ein paar Flughäfen anzusehen. Wie gesagt: Das habe ich schon immer gerne gemacht. Ganz oben auf meiner Liste steht nun der Flughafen Schkeuditz, besser bekannt als Leipzig/Halle. „Die Aussichtsterrasse ist leider geschlossen“, lässt mich der Mann am Info-Point wissen. „Der Aufzug ist kaputt.“ Die Terrasse über eine Treppe zu erreichen, ist offenbar nicht möglich. Also schlendere ich ein bisschen durchs Terminal, schaue mir durch die verglaste Fassade die dicken Antonows aus der Ukraine an, die hier abgestellt wurden – und natürlich die alte Iljuschin Il-18 der „Deutschen Lufthansa“. Als Kind war ich in die sowjetischen Flugzeuge mit ihrem recht speziellen Aussehen regelrecht vernarrt.

Die Iljuschin Il-18 auf dem Flughafen Leipzig/Halle ist ein echter Hingucker. © Meiko Haselhorst

Als nächstes ist der Flugplatz Magdeburg-City dran. Soll ja direkt vor den Toren der Stadt liegen. Und tatsächlich: Schon kurz nach der Autobahnabfahrt kommt der Tower in Sicht. Sofort sticht mir die alte Tupolew Tu-134 der Interflug ins Auge, die hier vor „Skadi’s“ Flugplatzrestaurant als Blickfang dient.

Die alte Tupolew Tu-134 steht vor einem Restaurant am Flugplatz Magdeburg-City. © Meiko Haselhorst

Ich husche durch ein offengelassenes Tor aufs Gelände, um das alte Flugzeug mit seiner markanten gläsernen Nase von allen Seiten zu betrachten. Im Tower sind ein paar Leute zu sehen, aber auf dem Platz ist tote Hose. Ich schaue in den grauen Himmel. Es fängt an zu regnen. Und kalt ist es auch. Ich gehe zurück zum Bulli und fahre wieder auf die Autobahn. Schon an der nächsten Abfahrt sehe ich das Schild: Cochstedt. „Ach ja, den gibt’s ja auch noch!“, rufe ich und biege ab. Ein letzter Abstecher auf dem Weg nach Hause.

Der Weg nach Cochstedt ist weit

Magdeburg-Cochstedt ist wirklich ziemlich weit draußen. Etwa eine halbe Stunde lang fahre ich durch die einsetzende Abenddämmerung und durch Raps- und Kornfelder. Dann biege ich nach rechts auf die Straße ab, die zum Flughafen führt. Mein Blick fällt auf den Tower, auf den langen Stacheldrahtzaun, aufs hohe Gras, auf wild wuchernde Sträucher und vertrocknete Pflanzenstängel aus längst vergangenen Sommern. Mittlerweile hat es wieder aufgehört zu regnen. Knapp überm Horizont lugt sogar noch mal die Sonne hervor – und blinzelt durch die scheibenlosen Fenster einer entkernten Plattenbau-Ruine. Auf einem der Gebäude steht’s Schwarz auf Gelb: Airport Cochstedt. Ich steige aus und gehe ein wenig herum. Hier und da wächst Holunder aus den Fenstern. Aus einem flattern mir zwei Turmfalken entgegen. Ich steige wieder in den Bulli, fahre noch ein paar Meter weiter – und dann auf einen sehr vernachlässigt wirkenden Parkplatz auf der anderen Straßenseite. „Besucher hier“, steht auf einem Schild geschrieben.

Am Flughafen Magdeburg-Cochstedt gibt’s viel Stacheldraht, aber sonst ist wenig los. © Meiko Haselhorst

„Das war früher mal“, sagt der Mann mit der gelben Weste und winkt ab. „Jetzt gibt es ja kaum noch Besucher. Der Flughafen ist jetzt ein Testgelände für Drohnen. Gehört dem DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt“, erklärt er. Ab und an würden noch ein paar Geschäftsleute hier landen, Sportflieger so gut wie nie. „Eigentlich gibt es hier nichts mehr zu sehen“, sagt er. „Nicht mal eine abgestellte Tupolew“, geht es mir durch den Kopf. „Aber die da fühlen sich offenbar ziemlich wohl“, sage ich und weise auf die Krähenkolonie in den Baumkronen über uns. Der Mann nickt.

Technische Hilfeleistung von der Security

Ich hake noch mal wegen der leeren Flasche nach. „Das Wasser hier ist zum Trinken nicht geeignet – davon darf ich Ihnen nichts geben“, sagt er. Wahrscheinlich die vielen Felder hier, zu viel Nitrat im Grundwasser. „Ich will das gar nicht trinken. Das ist für meinen Bulli. Der hat kein Kühlwasser mehr“, sage ich und zeige auf meinen guten alten T4, Baujahr 1992. Die Miene des Mannes erhellt sich. „Also sozusagen eine technische Hilfeleistung! Das darf ich!“, sagt er fast schon erleichtert, schnappt sich die Flasche und geht zum Wärterhäuschen. „Alles gut?“, will der dazugekommene Kollege mit dem Hund wissen. „Alles gut“, antwortet der Mann mit der Flasche. „So, alles gut“, sage ich, als ich das Wasser in den Kühlwasserbehälter gegossen habe. Ende gut, alles gut.

Meiko Haselhorst

 

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Über Meiko Haselhorst

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Meiko Haselhorst wollte als Kind immer Pilot werden. Doch es kam anders: Er wurde Tischler, später Redakteur einer Tageszeitung – und arbeitet heute als freiberuflicher Journalist. Seine immer noch vorhandene Leidenschaft für Flugzege und fürs Fliegen lebt der zweifache Vater zuweilen auf Reisen und an der Tastatur aus.

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