Jörg Adam: „Wir sind hier bei der Verleihung der ,Living Legends of Aviation Awards’. Sie sind selber schon mit dieser Auszeichnung geehrt worden. Welche Bedeutung haben die ,Living Legends of Aviation’ für Sie?“
Bertrand Piccard: „Bei den Living Legends gibt es eine wichtige Voraussetzung, um Mitglied zu sein, man muss nämlich am Leben sein. Das wichtigste Wort ist also ,Living’, das ist noch wichtiger als ,Legend’. Ich wurde in meinem Leben von so vielen Legenden inspiriert. Als Kind durfte ich beispielsweise Charles Lindbergh treffen, ich durfte Chuck Yeager treffen, alle amerikanischen Astronauten des Mercury-, Gemini- und des Apollo-Programms. Sie haben mich so sehr inspiriert. Ich verdanke ihnen alles, was ich jetzt mache. Jetzt selbst eine Living Legend of Aviation zu sein, ist ein Tribut an all’ diese Legenden, die uns bis hierhin gebracht haben.“
Adam: „Sie haben unter anderem mit Solar Impulse revolutionäre Projekte verwirklicht. Und nun arbeiten Sie an einem weiteren, bahnbrechenden Projekt.“
Piccard: „Absolut. Aber ich kann ja nicht einfach auf halbem Weg aufhören. Zunächst war es mein persönlicher Traum, mit einem Ballon nonstop die Erde zu umrunden, dann kam Solar Impulse, die Erdumrundung mit einem Solarflugzeug ohne einen Tropfen Treibstoff. Das war ein symbolisches Projekt, welches zeigen sollte, was technologisch alles möglich ist. Das nächste ist praktischer: Climate Impulse, ein Wasserstoff-Flugzeug mit grünem Flüssigwasserstoff, das nonstop um die Erde fliegen soll, ohne Emissionen auszustoßen. Das wird kein symbolischer Flug. Das ist eine Demonstration dessen, was man für die Dekarbonisierung der Luftfahrt machen kann.“
Adam: „Welche Erfahrungen aus Solar Impulse können Sie auf das Climate-Impulse- Projekt übertragen?“
Piccard: „Zunächst einmal den Pioniergeist, etwas zu erreichen, von dem am Anfang niemand glaubt, dass es machbar sei. Man hat keinen Maßstab, man weiß ja selber nicht einmal, ob es überhaupt umsetzbar ist. Deswegen muss man die besten Leute mit den besten Fähigkeiten zusammenbringen.
Ich bin froh sagen zu können, dass Airbus Teil des Projekts ist. Gerade am Anfang wollte ich mich versichern, dass ich nicht komplett naiv bin und dass es wirklich umgesetzt werden könnte. Viele Menschen haben gesagt, das sei nicht möglich. Unmöglich. Dann habe ich mich mit Guillaume Faury getroffen, dem CEO von Airbus. Und er hat einige seiner Top-Level-Ingenieure zusammengerufen, um das Projekt zu evaluieren. Sie sagten, wenn man diese Punkte ändert, dann könne das Projekt durchgeführt werden. Das war wirklich der Zeitpunkt, an dem wir das Projekt gelauncht haben. Das grüne Licht von den Ingenieuren von Airbus.“
Adam: „Es geschieht ja immer wieder, dass Menschen sagen, es sei völlig unmöglich, ein bestimmtes Projekt umzusetzen. Und wenn es dann umgesetzt wurde, applaudieren sie und sagen, sie hätten es immer schon unterstützt.“
Piccard: „Das ist richtig. Ich werde sehr genau zuschauen, wer mich zu Beginn des Projekts abgewiesen hat. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Die wahren Freunde trifft man am Anfang eines Projekts, nicht am Ende.“
„Ein Forscher muss auch ein guter Spendensammler sein“
Adam: „Ist die Finanzierung des Projekts Climate Impulse ein Problem?“
Piccard: „Nein, ein Forscher muss auch ein guter Spendensammler sein, ansonsten bleibt er ein Träumer. Bevor wir das Projekt öffentlich gemacht haben, haben wir uns um die Finanzierung gekümmert. SYENSQO ist als erster Partner eingestiegen, dann kam die University Mohammed VI Polytechnic of Maroc und dann OCP, die als großer Partner an Bord kamen. Sie wollen sich diversifizieren und auch in die Wasserstoff-Industrie einsteigen und natürlich Breitling, die gleich am Anfang ihre Unterstützung zugesagt haben. Breitling ist bereits seit 32 Jahren mein persönlicher Sponsor und Partner. Die Finanzierung steht bis zum Produktionsbeginn. Wir haben auch bereits Formen für die ersten Teile des Flugzeugs hergestellt.“
Adam: „Sie sind auch bei Ihren Projekten immer selbst geflogen. Im Ballon gefahren und in der Solar Impulse geflogen. Wie sieht es bei Climate Impulse aus?“
Piccard: „Auf jeden Fall werde ich selbst fliegen. Ich bin aber nicht nur dabei, um das Flugzeug zu fliegen, sondern auch während des Fluges das Projekt für Schulen, für Universitäten und anderen Institutionen und Regierungen zu erklären, warum wir dieses Projekt verfolgen, und warum wir an die saubere Luftfahrt glauben und warum wir daran glauben, dass die Dekarbonisierung der Luftfahrt und die Nutzung von Wasserstoff gelingen wird. Es ist wichtig, die Menschen zum Träumen zu bringen und mit uns fliegen zu lassen. Es werden zwei Piloten zusammen die Climate Impulse fliegen, Raphaël Dinelli und ich.
Adam: „Ist er nicht auch der Chefingenieur des Projekts?“
Piccard: „Exakt. Er ist auch dafür verantwortlich, das Flugzeug zu bauen. Wir werden zusammen fliegen, zusammen mit den Millionen von Menschen, die – so hoffe ich – unserem Abenteuer folgen werden.“
Adam: „Sind Träume und Visionen also der Anfang?“
Piccard: „Der erste Traum war es zu fliegen. Das ist machbar. Das wissen wir. Der zweite Traum ist nun, sauber, effizient und ohne Emissionen zu fliegen. Das ist noch nicht verwirklicht. Aber wenn Sie betrachten, wie disruptiv sich die Luftfahrt zwischen 1903 und der ersten Landung auf dem Mond oder der Concorde entwickelt hat, dann war das doch nur faszinierend. Nun müssen wir wieder disruptiv werden und eine neue Art der Luftfahrt erfinden. Es ist der einzige Weg, wie die Luftfahrt überleben kann.“
Adam: „Wenn man den Druck betrachtet, der angesichts des Klimawandels auf der Luftfahrt lastet, muss es Lösungen geben.“
Piccard: „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Luftfahrt nur für drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Wir dürfen die Luftfahrt nicht als Sündenbock nutzen, um das zu zerstören, was bereits heute existiert. Wir müssen auch an den bodengebundenen Verkehrsträgern arbeiten, an der Bauindustrie, an der Landwirtschaft und an der Modeindustrie. Wussten Sie, dass die Modeindustrie zweieinhalb Mal soviel Emissionen produziert wie die Luftfahrt? Auch die Digitalindustrie verursacht schon heute deutlich mehr Emissionen als die Luftfahrt. Lasst uns die Luftfahrt verändern, aber lasst uns auch die anderen Bereiche verändern. Es ist immer einfach, einen kleinen Bereich als Ziel zu nehmen und ihn anzugreifen.“
Adam: „Pioniere sind immer wichtig als Impulsgeber für neue Entwicklungen.“
Piccard: „Man muss immer weiter gehen als die Mehrheit glaubt, dass man gehen kann. Man muss die Komfortzonen verlassen und auch die Sicherheiten hinter sich lassen. Denn wenn wir dies nicht tun, machen wir uns zu Gefangenen alter Denkweisen. Man muss wirklich einen Pioniergeist haben und auf andere Art und Weise denken und handeln als wir es bislang gelernt haben zu denken.“
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