Der „United States Army Air Service“, die Vorgängerorganisation der heutigen U.S. Air Force, hatte im Jahre 1923 wahrlich Großes vor: Mit dem „World-Flight“-Programm peilte man nichts Geringeres als die erste Weltumrundung an. Phileas Fogg, Jules Vernes berühmte Romanfigur, hatte das schließlich schon 1872 geschafft – in 80 Tagen. Nun war ein halbes Jahrhundert vergangen und man verfügte mittlerweile über Flugzeuge. Wo also sollte das Problem sein?
Zunächst allerdings mussten die geeigneten Flugzeuge her. Also ließ man die Douglas Aircraft Company in Kalifornien ihren DT-2, einen zweisitzigen Torpedobomber, anpassen und weiterentwickeln. Das Ergebnis: der „Douglas World Cruiser“. Vorne nahm der Pilot Platz, dahinter der Bordmechaniker. Die Tanks mussten erweitert werden, um die Reichweite zu erhöhen. Außerdem wurden weitere Depots für Öl und Wasser eingebaut. Die Entwickler ließen auch die Struktur des Flugzeugs verstärken. Angetrieben wurden die Maschinen von einem 426 PS starken Liberty L-12. Ferner wurde der Kühler austauschbar gestaltet – für tropische Etappen mit höherem Verbrauch ließ sich eine größere Variante einbauen. Das Fahrwerk konnte mit Schwimmkörpern oder mit normalen Rädern ausgestattet werden – je nach Landegebiet.
Am 11. November 1923 lieferte Douglas den knapp 24.000 US-Dollar teuren Prototypen des World Cruisers aus. Nach gründlichen Tests gab die Army noch im gleichen Monat grünes Licht für die Bestellung vier weiterer Exemplare – die dann auch bis März 1924 ausgeliefert wurden.
Herausfordernde Logistik des Weltfluges
Die Strecke musste schon im Vorfeld exakt geplant werden. Die Motorfliegerei steckte ja quasi noch in den Kinderschuhen, es musste mit unzähligen Problemen technischer Art gerechnet werden. Also ließ man an geplanten Landepunkten insgesamt 15 Austauschmotoren, 14 Schwimmkörpersätze und weitere Ersatzteile, sowie ausreichend Treibstoffe, Schmierstoffe, Proviant und Servicepersonal deponieren – durchaus eine logistische Meisterleistung.
Man hatte es offenbar wirklich eilig – schon am 6. April 1924 war es so weit: Die nach den vier US-Städten Seattle, Boston, Chicago und New Orleans getauften Flugzeuge hoben vom Lake Washington östlich des Stadtzentrums von Seattle ab und flogen westwärts in Richtung Alaska. Zunächst lief alles mehr oder weniger reibungslos. Am 30. April dann der erste schwere Zwischenfall: Das Führungsflugzeug, die „Seattle“, hatte wegen Reparaturen zunächst zurückbleiben müssen, versuchte danach, den Rückstand aufzuholen – und flog dann im dichten Nebel in Alaska gegen einen Berg. Das Flugzeug wurde komplett zerstört. Beide Insassen überlebten und wurden einige Tage später aus der Wildnis gerettet. Die übrigen drei Flugzeuge flogen weiter, die „Chicago“ übernahm nun die Führung.
Die noch sehr junge Sowjetunion wurde wegen fehlender Überflugerlaubnis umflogen, die Route führte somit über Japan, Korea, China, Hongkong, Thailand, Indien, den Mittleren Osten und Europa. Nach zahllosen Zwischenlandungen (keiner der Beteiligten hat sich damals die Gesamtzahl notiert) erreichten die Flugzeuge Paris – ausgerechnet am 14. Juli 1924, dem französischen Nationalfeiertag. Der Empfang war überwältigend.
Über dem Atlantik – schon wieder auf dem Weg nach Amerika – noch mal ein gravierender Zwischenfall: Das Flugzeug „Boston“ musste notwassern, nachdem der Öldruck abgefallen war. Die beiden Insassen wurden auch diesmal gerettet, das Flugzeug selbst sank jedoch etwas später aufgrund eines Missgeschicks beim Abschleppen.
Ersatzflugzeug wartete in Kanada
Die verbliebenen zwei Flugzeuge kehrten über Grönland und Island zurück auf den nordamerikanischen Kontinent – nach Kanada. Dort wartete ein Ersatzflugzeug mit Namen „Boston II“ auf sie – in Dreierformation ging es dann auf die letzte Etappe. Über die Westküste flogen die Doppeldecker weiter nach Santa Monica und von dort aus nach Seattle, wo sie am 28. September 1924 – 175 Tage nach ihrem Aufbruch – mit einem großen Fest empfangen wurden. Die Weltumrundung war geglückt. Die überlieferte Flugdistanz schwankt zwischen 42.733 und 46.771 Kilometern. Die reine Flugzeit – da herrschte offenbar Einigkeit – betrug 371 Stunden und 11 Minuten.
Für die Douglas Company war der Flug damals ein riesiger Erfolg. Das Unternehmen war so stolz darauf, dass der Rekord kurze Zeit später sogar in ihr Firmenlogo eingearbeitet wurde – mit drei Flugzeugen, die eine Weltkugel umrunden. Die US-Luftwaffe bestellte sechs angepasste Flugzeuge des Typs: mit weniger Langstreckentanks, aber dafür mit Maschinengewehren.
Die in Alaska verunglückte „Seattle“ wurde geborgen und restauriert – und steht heute im Alaska Aviaton Heritage Museum. Die „New Orleans“ steht im Los Angeles County Museum of Natural History und die „Chicago“ gehört zur Smithsonian-Sammlung. Nur über den Verbleib der „Boston“ ist nichts bekannt – ihre Überreste liegen vermutlich noch auf dem Meeresgrund.
Meiko Haselhorst
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